Darkover 05 - Zandrus Schmiede
vielleicht, oder einem anderen abtrünnigen Turm. Dieser Mann hatte genug Laran, um es ins Ziel zu führen, aber nicht mehr.
Wieder schloss Varzil die Augen, und er glitt in die Überwelt. Er hatte den Übergang immer verwirrend gefunden, obwohl seine Lehrer ihm versichert hatten, dass er es besser schaffte als die meisten. Nun stand er auf einer nichts sagenden grauen Ebene und blinzelte in das diffuse, ewig gleiche Licht.
Die Überwelt bestand aus mentalem Material, nicht aus den gewöhnlichen, vertrauten irdischen Bestandteilen. Daher ließ sich dieser geistige Stoff leicht mit Hilfe von Gedanken formen. Nun sammelte Varzil etwas davon und formte einen hohen Obelisken, wie einen Finger, der in den hellen Himmel zeigte. Auf allen vier Seiten visualisierte er ein eingemeißeltes Bild - das Herrenhaus hier am Blauen See, ein grasendes Pferd, die uralte, knorrige Weide am Fluss, Carolins Schwert. Diese Symbole, Abbilder wirklicher Dinge, würden als Anker an diesem Ort dienen, wenn Zeit und Raum alle Bedeutung verloren.
Die Gestalt, die Varzil in der Überwelt annahm, erinnerte an seinen tatsächlichen Körper. Wie gewöhnlich war er mit dem weiten Gewand bekleidet, das er zur Turmarbeit trug. Er nahm seinen Sternenstein in die Hand und benutzte ihn, um das Muster aus dem Splitter in dem Haftfeuer-Geschoss heraufzubeschwören. Es war kein kompliziertes Muster, nicht wie bei einem Matrixstein. Aber weil der tote Mann auf gewisse Weise damit verbunden gewesen war, vibrierte darin seine eigene Persönlichkeit.
Sehr vorsichtig gelang es Varzil, den Eindruck herauszuarbeiten, den der Geist des toten Mannes hinterlassen hatte. Ein Instinkt hielt ihn davon ab, ihn direkt zu rufen. Es war immer ein wenig riskant, sich mit den Toten abzugeben.
Stattdessen benutzte Varzil diese Spur und ließ sich von ihr führen. Er drehte sich langsam in alle Richtungen, bis er einen vollständigen Kreis vollzogen hatte. Er suchte…
Gegen Ende seines Kreises spürte er ein leichtes Zucken unsichtbarer Farben. Er hatte einmal in der Nähe der Trockenstädte die Verzerrungen gesehen, die entstanden, wenn Hitze über dem vom Wind geglätteten Sand aufstieg. Es hatte ausgesehen wie Wasser, aber Kevan hatte es eine Luftspiegelung genannt.
Grau flackerte und lockte. Varzil brachte es dazu, näher zu kommen, aber er wusste, wie vergeblich es hier in der Überwelt sein konnte, sich etwas so Flüchtigem zu nähern. Selbst Dinge, die fest schienen, konnten sich zurückziehen, sodass sie immer gerade außer Reichweite blieben. Er hatte Geschichten von Unvorsichtigen gehört, die hinter verstorbenen Geliebten hergeeilt waren, verzweifelt und verirrt, bis ihre physischen Körper zu leblosen Hüllen verwelkten.
Das farblose Licht schien fester zu werden, teilte sich in Schwarz und Weiß. Varzil hielt die Bilder fest und wartete darauf, dass mehr Einzelheiten erschienen… Rauten auf einer hängenden Flagge und darunter die geisterhaften Flächen einer Mauer. Eine Festung oder eine Burg, dachte er, oder Überreste davon. Stein und Holz fühlten sich eher wie eine Erinnerung als wie ein Traum an.
Etwas, das einmal existiert hat?
Er hob seinen Sternenstein auf Augenhöhe und spähte hindurch zu der Schattenfestung. Die Burg wurde fester und schien auch größer zu werden. Ein Mann stand vor dem hölzernen Tor. Er trug die gleiche Lederweste wie der Attentäter und sah diesem auch recht ähnlich. Als spürte er Varzils Anwesenheit, drehte er sich um und schaute nach hinten. Die Tore schwangen auf. Der Mann hob eine Faust und drohte damit in Varzils Richtung. »Ich habe vielleicht versagt, aber unsere Sache lebt weiter. Tod den Hasturs! Wir werden uns rächen!«
Varzil sprang vorwärts. Es war zu spät, denn der Mann schoss durch die Öffnung, kurz bevor das Holztor zufiel. Dann verschwand die Burg vollkommen.
Keuchend und schwitzend fand sich Varzil in der Steinhütte am Blauen See wieder, und er wusste nicht mehr als zuvor darüber, wer den Attentäter geschickt hatte.
Der Coridom kümmerte sich um die Leiche des Meuchelmörders. Varzil und Carolin saßen am Abend noch lange zusammen und unterhielten sich über das, was geschehen war. In dem gemütlichen Wohnzimmer brannte ein kleines Feuer, obwohl der Abend mild war. Der Haushalt hatte sich gewaltig angestrengt, um seinen Herrn willkommen zu heißen, und sie hatten den größten Teil des Abends warten müssen, diesen Augenblick der Ruhe zu finden. Selbst dann hatte Carolin die Frau des
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