Darkover 05 - Zandrus Schmiede
Schaden feststellen können. Den neurologischen Schaden. Aber die Verletzungen an den Laran-Zentren von Austers Hirn gingen viel tiefer. Der alte Mann würde vielleicht weiterleben, wenn sein Körper zäh genug war, die Lunge die Luft aufnahm, das Herz in seinem Rhythmus fortfuhr. Ein Schlaganfallpatient kann mit Geduld und kundigen Heilern vielleicht wieder lernen zu sprechen oder zu laufen. Für diesen tieferen Verlust jedoch gab es keine Heilung. Das, was diesen Mann ausmachte, was den Bewahrer ausmachte, war bereits dahingegangen.
Varzil fuhr sich mit der Hand über die Augen und betete darum, nicht weinen zu müssen. Als er vor so vielen Jahren nach Arilinn gekommen war, ein rebellischer, verängstigter Halbwüchsiger, war ihm Auster wie ein Gott vorgekommen, Bewahrer und Laranzu, ohne Zweifel einer der mächtigsten Männer auf Darkover. Seine geistigen Fähigkeiten waren legendär gewesen.
»Varzil? Varzil, Junge, bist du das?«, fragte Auster mit einer Stimme, die wegen ihrer Schwäche nur umso eindringlicher war. Jede Silbe sprach von seiner Entschlossenheit, diese letzte Aufgabe zu vollenden.
Sanft fuhr Varzil mit den Fingerspitzen über die papierne Haut an Austers Handgelenk. »Ich bin hier, geliebter Lehrer.«
Auster bewegte die Hand, um nach Varzils Hand zu greifen. Die Finger mit ihren ausgeprägten Knöcheln fühlten sich an wie die Gitter eines verfallenen Käfigs, kaum imstande, auch nur eine Feder zu halten.
»Varzil… « Langsam und mit dünner Stimme fuhr Auster fort. »Ich will… es darf keine Frage sein… wer… meinen Platz einnimmt.«
Fidelis sah Varzil an. Keiner von ihnen sprach von falschen Hoffungen. »Auster, du hast Varzil selbst all diese Jahre ausgebildet«, sagte Fidelis. »Jeder in Arilinn weiß, du wolltest, dass er dein Nachfolger wird.«
Der alte Mann bewegte die Hand. Die knochige Brust bebte von der Anstrengung eines weiteren Atemzugs. »Jeder hier… ja. Aber diese arroganten… « Auster erlitt einen Hustenanfall, der erst nachließ, als Fidelis seine Überwacherfähigkeiten einsetzte, um die Atemwege freizuräumen. Der Schlaganfall hatte eindeutig die Fähigkeit seines Körpers verringert, die Lunge sauber zu halten. Varzil spürte bereits die ersten Andeutungen der Lungenentzündung, die zweifellos das Leben des alten Mannes beenden würde.
»Diese arroganten neunfedrigen Banshees… sie glauben, du wärst entweder zu gefährlich… oder zu unbedeutend… wollen, dass die Türme Befehlen folgen… versprich mir, nicht eines Königs… privaten Zielen… zu dienen… nur Arilinn… nur dem größten Wohl… «
»Ich werde nicht die Spielfigur eines Königs sein«, versprach Varzil und musste an Carolin und an Felix Hastur denken, der immer noch auf dem Thron in Hali saß.
Verbündeter und Freund, schwor er, aber niemals Diener.
Bis zu diesem Augenblick, so erkannte Varzil, hatte immer die Möglichkeit bestanden, dass Carolin ihn um etwas bitten würde, das seinem eigenen Gewissen zuwiderlief. Er hatte es nie ernsthaft befürchtet, denn er konnte sich nichts vorstellen, das Carolin wollte, dem er nicht zustimmen würde. Aber Carolin war noch nicht König.
»… nur deinem eigenen Gewissen gegenüber verantwortlich… «
Varzil beugte sich vor, bis seine Wange die alten Hände berührte. Seine Tränen fielen auf die verschränkten Finger. Von nun an konnte er zu keinem anderen Mann als dem Hüter seines Bewusstseins aufblicken. Er würde nicht nur für sich selbst verantwortlich sein, sondern für die Männer und Frauen, die unter ihm dienten.
Austers Stimme war noch leiser geworden, sodass nur Varzil die geflüsterten Worte hören konnte.
»Ernenne dich… Tenerézu… «
Varzil hielt den Atem an und wartete. Er lauschte mit seinem Laran und mit dem Herzen, betete, dass es noch ein weiteres Wort, einen weiteren Augenblick der Kommunikation geben würde. Schweigen und Stille antworteten ihm. Dann kam ein Schimmern ganz am Rand seiner Sinne, sowohl körperlich als auch geistig. Er wusste, es war der Augenblick, in dem das Leben verging und nur eine zerbrechliche Hülse zurückblieb.
Es schien, als beweinte selbst der Himmel das Dahinscheiden von Auster Syrtis, Bewahrer des Turms von Arilinn. Als das Jahr dem Ende entgegenging, wurde das Wetter, das bisher ungewöhnlich mild gewesen war, bitterkalt. Austers Familie hatte eine Botschaft geschickt und gebeten, ihn auf dem kleinen Friedhof beizusetzen, der zu Arilinn selbst gehörte. Hier würde er in ein
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