Darkover 05 - Zandrus Schmiede
Lieder, und einige der jüngeren Leute fielen ein. Dann holten manche Flöten und Trommeln hervor. Jeder Dorfbewohner nahm sich einen Partner aus dem Turm für ein überschwängliches Tänzchen. Eine Großmutter mit Wangen wie reife Äpfel schnappte sich Varzil, der eigentlich nicht tanzen wollte, blinzelte ihm mit so viel Lebensfreude zu, dass er herzhaft lachen musste.
Nach dem Tanz hob Loryn die Hände und segnete die Dorfbewohner, wünschte ihnen ein Jahr des Wohlstands, ihren Feldern und Tieren Fruchtbarkeit, ihren Kindern Gesundheit und ihren Grenzen Sicherheit.
»Kein Mensch kann sich mehr wünschen, Vai dom«, sagte einer der Männer aus dem Dorf, zupfte an seiner Stirnlocke und folgte den anderen aus dem Saal.
Als sie gegangen waren, senkte sich Schweigen über die Bewohner des Turms von Hestral herab.
»Um diese Zeit ist es üblich, Aldones und Cassilda, den Herrn des Lichts und seine Gemahlin, zu beschwören«, brach Loryn das Schweigen. »Auch sie erlitten einen Verlust. Einen schrecklichen Verlust. Aber durch ihr Beispiel schöpfen alle Menschen Hoffnung.«
»Aye, so ist es«, sagte einer der älteren Männer unter einvernehmlichem Gemurmel.
»Und doch glaube ich, dass wir den Blick in dieser Jahreszeit nicht auf das Licht richten sollten, sondern auf die Dunkelheit. Auf Avarra, die Dunkle Herrin der Nacht. Auf Zandru, den Herrn der Höllen. Während unsere Welt sich dem tiefen Winter entgegendreht, die Wärme und das Licht der Sonne nie mehr zurückzukehren scheinen und das Leben geradezu erstarrt, zu dieser Zeit hält der Winter auch in unserer Seele Einzug. Die Wölfe des Chaos streunen durch die Lande. Die Hoffnung schwindet.
Die Hoffnung schwindet, ja, und die Menschen leisten den Mächten der Dunkelheit ihren Tribut durch Blut und Angst. Aber die Hoffnung stirbt nicht. Alles hat seine Jahreszeit, und aus jeder Jahreszeit beziehen wir auf andere Weise Kraft. Die Bäume treiben ihre Wurzeln tief in den Schnee, und die süßesten Kirschen reifen nach einem harten Winter. So ist es auch bei den Menschen, denn diese Zeit härtet uns ab, und in den dunkelsten Nächten müssen wir uns unseren größten Ängsten stellen und sie besiegen.
Deshalb biete ich euch jetzt nicht Cassildas Geschenk an, die Frucht Kireseth. Stattdessen bitte ich euch, in den Winter eurer Seele zu schauen und dort den Frühling zu begrüßen, der ohne Zweifel kommen wird.«
.Maßlos erstaunt wartete Varzil ab, bis die anderen Turmarbeiter einzeln und in Gruppen von zwei oder drei Personen hinausgegangen waren, um Trost zu finden, wo sie nur konnten.
»Loryn, was hat sich deiner nur bemächtigt, dass du so redest? Wir alle trauern, das stimmt, aber… «, er rang mit seinem eigenen Kummer, »… aber dies ist doch wahrlich eine Zeit der Kameradschaft und des Überschwangs. Selbst in tiefster Trauer brauchen wir den Rhythmus der Feierlichkeiten.«
Loryn fuhr sich mit der Hand über die Augen, als wolle er sein Blickfeld von einem unsichtbaren Schleier befreien. »Ich… ich habe keine Ahnung. Ich habe den Worten einfach freien Lauf gelassen. Vielleicht war es Zandru persönlich, der sie mir in den Mund legte, damit ich Verzweiflung verbreite.«
»Verzweiflung? Nein, du hast auch von Hoffnung gesprochen«, sagte Varzil. »Aber die Hoffnung schien eher dem Durchhaltevermögen zu gelten als der Erneuerung.«
»Ach, mein Freund, das mag wohl sein, denn in meinen Träumen lastet schon ein Schatten auf uns. Ich fürchte, wir haben noch nicht das Schlimmste erlebt.«
Varzil legte sanft seine Fingerspitzen auf den Arm des anderen. Einen Augenblick lang schämte er sich, so sehr in seinen privaten Kummer um Felicia vertieft gewesen zu sein, dass er gegenüber dem Leid derer um ihn herum blind gewesen war. »Tja, es heißt, dass nur der Tod und der Schnee des nächsten Winters gewiss sind. Welche neuen Härten auch vor uns liegen mögen, wir werden ihnen gemeinsam entgegentreten müssen.«
Loryn schüttelte sich, und sein Blick wurde wieder klar. Er nahm Varzils Hand in seine, eine direkte Berührung, wie sie unter Telepathen recht selten vorkam. »Ich bin froh, dass du hier bist.«
Gemeinsam verließen sie den saalartigen Raum, während das Feuer knisternd erlosch. Stille legte sich über den Turm von Hestral, eine tiefe betäubende Ruhe, und seine Bewohner verschliefen traumlos die längste Nacht des Jahres.
Für Varzil hatte außer Frage gestanden, dass er so schnell wie möglich nach Arilinn zurückkehren würde, denn
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