Darkover 05 - Zandrus Schmiede
nur eine Leronis, sondern eine von wenigen ausgewählten Frauen, die wegen ihrer Seherbegabung eine besondere Ausbildung erhielten und Jungfräulichkeit schworen.
Sie kamen durch das massive Tor in eine Eingangshalle. Innerhalb von Augenblicken hatte man sie voneinander getrennt und führte sie zu ihren Gemächern. Varzils Zimmer in Arilinn war geräumig, aber schlicht möbliert, ein Ort ruhiger Zurückgezogenheit, der nicht dazu diente, irgendwelche Unterhaltung zu bieten. Nun stand er in einem Vorzimmer, das zu einer ganzen Reihe von Räumen führte, die mindestens so groß waren wie die gesamte Ridenow-Wohnung in der Verborgenen Stadt.
Wandbehänge schmückten jede Wand, und viele zeigten Szenen aus der »Ballade von Hastur und Cassilda«, ein Tribut an die ehrenwerten Ahnen des Hauses. Jedes Möbelstück schien geschnitzt, vergoldet oder mit Perlmutt eingelegt zu sein. Das Bett im Schlafzimmer stand auf einer Plattform, hatte eine Decke aus weinrotem Brokat und hätte leicht einem Trockenstädter mit all seinen Frauen und Konkubinen Platz geboten. Daneben standen ein Kleiderschrank, groß genug, um ihn begehen zu können, und eine schwere, üppig geschnitzte Kommode mit einer Marmorplatte, die so glänzend poliert war, dass Varzil sein Spiegelbild darin sehen konnte. Das Waschbecken und der Krug mit rosenduftendem Wasser bestanden aus teurem, wunderschön bemaltem Porzellan. Varzils einzelne Tasche lag schlaff am Fuß der Plattform. Er hob sie auf, trug sie zum Kleiderschrank und legte vorsichtig seine wenigen Kleidungsstücke auf die Regale. Das Holz im Schrank roch angenehm nach Zeder und Lavendel, was aber nicht so recht zum Duft des Waschwassers passen wollte. Wenn er zwischen so vielen nicht zusammenpassenden Gerüchen schlafen musste, würde er mit Kopfschmerzen wie aus Zandrus Hölle aufwachen.
Er zuckte zusammen, als es an der Tür klopfte. Ein Mann in einer schönen Jacke und Kniehosen in Hasturs Blau und Silber trat ein. Varzil starrte ihn an. Der Bursche konnte kaum älter als er sein, aber seine natürlichen Züge waren hinter einer dicken Schicht Puder versteckt und seine Wangen und Lippen scharlachrot bemalt. Und ganz bestimmt wuchs natürliches Haar niemals in dieser Messingfarbe, und es glänzte auch nicht wie lackiert. Der Höfling roch nach einem weiteren Duft, diesmal einer Mischung aus Weihrauchharz und etwas Moschusartigem. Mit einer respektvollen Halbverbeugung erklärte der Höfling, wenn der junge Herr sich vorbereiten wolle, würde Seine Majestät ihn kurz vor dem Abendessen empfangen. Er warf einen Seitenblick zu dem offenen Kleiderschrank und fügte hinzu, dass für alle Gäste angemessen höfische Kleidung zur Verfügung gestellt werden könnte.
Varzil war empört, strengte sich aber an, sich zu beherrschen. Seine Ehrfurcht davor, sich inmitten solch offensichtlichen Wohlstands zu befinden, verschwand in einem einzigen Augenblick. Er wusste, was der Höfling sah: einen armen Jungen, unterernährt und schlecht erzogen, einen Niemand aus Nirgendwo, der nur dank Carolins Freundlichkeit hier war, weil der Junge die Feiertage mit den weniger Begünstigten teilen wollte.
Ich bin ein Laranzu von Arilinn, und ich bin ein Ridenow und aus einem adligen Haus. Ich werde nichts davon verbergen und ganz bestimmt nicht hinter geborgter Kleidung!
Er sagte so höflich er konnte: »Ich danke Euch für diese Freundlichkeit, aber ich bin mit dem, was ich habe, zufrieden.«
Der Mann riss ungläubig die Augen auf. Varzil hätte beinahe laut über sein sichtliches Unbehagen gelacht, als er sich abermals verbeugte und zurückzog.
Varzil zog sein bestes Feiertagshemd und eine Weste mit den Ridenow-Farben an, und dann kam ein Page, jung und mit einem Mädchengesicht, um ihn zum Thronsaal zu eskortieren. Varzil hörte die Menschenmenge, bevor er die Treppe noch ganz heruntergestiegen war. Der König hatte offenbar seinen Audienztag, und Bittsteller, Höflinge, Zuschauer, Schlossdiener und Wachen in den Hastur-Farben füllten den gewaltigen Raum. So viele Menschen an einem Ort! Nicht zum ersten Mal segnete Varzil die Ausbildung, die ihn vor diesem Ansturm schützen würde. Jeder besaß ein kleines Maß an Laran, was sich bei gewöhnlichen Menschen in Form von Intuition oder Mitgefühl zeigte oder manchmal in der Fähigkeit, gut mit Tieren oder Sprachen zurechtzukommen. Bei einer solchen Versammlung mit so vielen Hastur-Verwandten und geringeren Clansleuten würde die Summe all dieser kleinen Portionen von
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