Darkover 06 - Die Flamme von Hali
wieder. »Das sagst du doch nur, weil du Eduin nicht ausstehen kannst; von Anfang an war es so!«
»Ich habe mich bemüht, ihn nicht zu hassen, als wir noch Kinder in Arilinn waren«, sagte Varzil mit leiser Stimme. »Ich habe mich sehr bemüht. Carolin hat sich immer auf seine Seite geschlagen, weil Eduin arm war und mit der Gabe geschlagen und keine anderen Freunde hatte. Ich konnte immer das Gute an anderen Menschen sehen, aber nicht bei Eduin. Den Grund habe ich nie verstanden. Ich hatte den Verdacht, dass er, ob nun willentlich oder nicht, Carolin ein Leid zufügen wollte.«
»Carolin ein Leid zufügen?«, fragte Dyannis verblüfft. »Wie denn das?«
Varzil strich sich mit einer Hand das Haar aus der Stirn. »In diesen Jahren kam es zu einigen… Unglücksfällen, bevor Carolin den Thron übernahm. Er weigerte sich, sie ernst zu nehmen, sagte, er könne nicht in einem goldenen Käfig leben. Darunter war allerdings auch ein klarer Attentatsversuch. Wir waren zum Blauen See unterwegs, um dort Urlaub zu machen.« Er hielt inne, als Bilder durch sein Bewusstsein flirrten.
Dyannis, in leichter Verbindung zu ihrem Bruder, sah zwei Jugendliche unbeschwert durch den sonnendurchfluteten Wald reiten…
… Ein tödliches Metallgeschoss brach aus dem Unterholz und sauste durch die Luft…
… Varzil wälzte sich in seinem Mantel, in den er fest eingeschlagen war, hin und her…
… Carolin kämpfte an den morastigen Ufern eines Flusses mit einem bärtigen Mann…
… Eine Stimme klang durch seinen Verstand, rau vor Eindringlichkeit: » Tod den Hasturs! Wir werden gerächt! «
»Was hat das zu bedeuten?«, fragte sie sich laut. »Wer soll gerächt werden? Das beweist doch ganz klar, dass noch ein Agent am Werk ist, ein ewig währender Groll, der deiner Verschwörung zugrunde liegt, wenn es sie wirklich gab. Selbst ein geliebter König muss sich Feinde machen. Das ist alles noch kein Beweis gegen Eduin.«
»Die ganze Geschichte ergibt keinen Sinn, wenn du nicht weißt, wer Felicia ist… war«, sagte Varzil. »Auch wenn sie sich nach Kräften bemühte, es geheim zu halten, war sie doch die Nedestra -Tochter von Taniquel Hastur-Acosta und dadurch mit Carolin verwandt.«
»Woher hätte Eduin das wissen sollen?«, entfuhr es ihr.
Ja, woher? Sie zitterte innerlich bei der Erinnerung daran, wie Eduin die Archive des Hali-Turms durchwühlt hatte, besonders die genealogischen Aufzeichnungen, wie er schuldbewusst zusammengezuckt war, als sie ihn dort fand… Sie hatte angenommen, dass er einen Auftrag ausführte, den die Bewahrer ihm erteilt hatten. Ging er einer offiziellen Tätigkeit nach, um eine persönliche Suche nach der Hastur-Blutlinie zu kaschieren?
Etwas waberte am Rande ihrer Erinnerung, so dunkel wie Kyorebni -Schwingen.
Gereizt sagte sie: »Du suchst gerade nach einem Vorwand, Eduin die Schuld an etwas geben zu können, womit er nichts zu tun hat.«
»Denk doch einmal nach«, sagte Varzil aufgebracht. »Felicia war eine Hastur; Eduin versuchte, sie zu töten - tötete sie. Eduin versuchte, Carolin zu töten, einen weiteren Hastur, und scheiterte, wofür er mich wahrscheinlich noch mehr hasst. Ich weiß nicht, wie der Attentäter vom Blauen See mit Eduin zusammenhängt. Aber wenn Eduin mit einem bewaffneten Mob in Hali auftaucht, im Herzen des Hastur-Territoriums, werde ich misstrauisch. Werde ich sehr misstrauisch.«
»Du täuschst dich gründlich! «, schrie Dyannis. »Du hegst einen Kindheitsgroll gegen Eduin und hast dir einen Haufen wilder Vermutungen zusammengereimt, die dich von seiner Schuld überzeugen! Ist die Welt nicht schon schwierig genug, ohne eingebildete Verschwörungen zu schaffen und den weniger Glücklichen die Schuld zu geben?«
Mühsam rief sie sich zur Ordnung. Sie waren beide erschöpft, geistig wie körperlich. Er arbeitete seit Tagen ohne Unterlass und hatte sich großzügig mitgeteilt. Jeder andere wäre in Neskaya geblieben, sicher und bequem hinter den neu errichteten Mauern. Wenn alte Zweifel an ihm nagten, konnte sie ihm vielleicht verzeihen.
»Tut mir Leid, dass ich diese Dinge gesagt habe«, meinte sie. »Ich war schon immer ein wenig zu temperamentvoll. Es ist nicht das erste Mal, dass ich ohne nachzudenken drauflosgeplappert habe. Aber ich glaube, du redest ohne den geringsten Beweis. Eduins Leben wurde in Hestral zerrüttet. Ich weiß nicht, wo er jetzt ist oder wie es ihm geht, aber wohlauf ist
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