Darkover 06 - Die Flamme von Hali
gewesen war, wie begierig, sich in dieser neuen Fähigkeit zu üben. Wohin sie auch geblickt hatte, überall hatten sich für sie wunderbare neue Möglichkeiten aufgetan - das Leben einer Leronis in einem der berühmtesten Türme von Darkover, das Rhu Fead mit seinen Geheimnissen und uralten heiligen Gegenständen, der See mit seinem Wolkenwasser, die Stadt, der prächtige Hof… das Wissen, dass sie hierher gehörte und an allem Anteil hatte.
Varzil war gemeinsam mit Carolin, der von seiner Ausbildung in Arilinn zurückkehrte, und Eduin zu jenem ersten Mittwinterfest an den Hastur-Hof gekommen.
Dyannis richtete ihren Blick nach innen, auf die Erinnerung. Ihr Körper bewegte sich zur leichten Gangart ihres Reittiers, als sie inmitten von König Carolins Geleitschutz am Hali-See entlang auf den Turm zuritt.
Eduin .
Beim Tanzen hatte er sie in den Armen gehalten, als wäre sie das Kostbarste auf der Welt. Sie hatte noch keine Erfahrung mit den Gefühlen gemacht, die in ihr aufstiegen, jede Woge zärtlicher und ungestümer als die vorherige. Etwas an ihm rührte ihr tiefstes Inneres an, vielleicht die Verwundbarkeit, die sie unter seinem geliehenen Prunk spürte. Erst als Varzil ihr verboten hatte, sich weiter mit Eduin abzugeben, hatte sie sich in ihn verliebt.
Hätte ich mich auch ohne Varzils Einmischung in ihn verliebt? Sie war sich nicht sicher. Bei den Göttern, sie wusste, wie sie reagierte, wenn ihr jemand Befehle erteilen wollte. Vielleicht erst durch diese Einmischung war sie in Eduins Bett gelandet, und sie hatte von Glück reden können, dass die Überwacher in Hali ihr schon beigebracht hatten, die Empfängnis zu verhüten, denn so war sie noch mal ohne bleibende Verstrickungen davongekommen.
Irgendwann war Eduin nach Arilinn zurückgekehrt und sie zu ihrem Leben in Hali. Sie hatte gelernt und gearbeitet. Und geliebt, aber nie mehr mit dieser fiebrigen Intensität wie damals bei Eduin.
Wir können froh sein, dass die erste Liebe nur einmal kommt, sonst bekäme niemand mehr etwas auf die Reihe . Das hatte ihr erster Bewahrer Dougal DiAsturian gesagt.
Vor ihr ragte der Hali-Turm wie schimmernder Alabaster in den Himmel über den wechselnden Strömungen des Sees auf. Seine Schönheit schlug sie in den Bann. Ihr Gesichtsfeld verschwamm. Sie kannte jeden Raum, jede Stufe, jeden Fenstersims, jeden Winkel der Küchen, jede Aussichtsstelle, und doch blieb sie nun draußen stehen.
Es war natürlich alles Unsinn. Hali war ihr Zuhause. Man fragte sich dort schon, wo sie blieb. Sie hatte den Mittwinter versäumt, aber das war keine große Sache.
Worauf wartete sie noch? Weshalb die seltsamen Gedanken, das Zögern? Viel Arbeit musste erledigt werden.
Der Aufstand am See hatte in mehr als einer Hinsicht seinen Tribut gefordert. Sie hatte sich verändert, und niemals wieder würde sie an einem See stehen oder durch die Hallen schlendern, in einem Matrix-Labor sitzen oder sich über die Relais-Schirme beugen können, als wäre nichts geschehen. Die Ereignisse hatten ihr Denken verändert und Eduin wieder in ihr Leben zurückgebracht.
Eduin war vor einigen Jahren nach Hali gekommen, bevor er schließlich zum Hestral-Turm weiterzog. Bevor Felicia Leynier unter geheimnisvollen Umständen gestorben war und er einen unrechtmäßigen Kreis zu einem brutalen Gegenangriff auf Rakhals belagernde Armee veranlasst hatte. Sie schob den Gedanken beiseite und kehrte zu ihrem kurzen Wiedersehen zurück.
Er war zurückhaltend, beinahe kalt gewesen. Sie hätte schwören können, dass er sie niemals geliebt hatte, außer in ihren Erinnerungen. Er sei nach Hali gekommen, sagte er, um als Archivar zu dienen und genealogische Forschungen zu treiben. Sie hatte angenommen, dass er das für Dougal oder Barak tun sollte, den Bewahrer von Arilinn. Ihr wäre im Traum nicht eingefallen, dass er vielleicht aus eigenem Antrieb nach etwas forschen könne.
Wonach hatte er im Stammbaum der Hastur gesucht? Hatte er es gefunden - und danach gehandelt?
Auf diesem Weg, sagte Dyannis sich ernst, lauert der Wahnsinn. Die Vergangenheit ließ sich nicht mehr ändern, und Varzil hatte Recht damit, dass es sicher manches gab, was sie vielleicht niemals erfahren würde.
Lass es ruhen .
Sie legten die letzte Wegstrecke zurück, bis knapp vor die Turmtore. Rorie und Alderic kamen heraus, um sie zu begrüßen. Sie trieb ihr erschöpftes Pferd vorwärts.
Ich bin zu Hause , dachte
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