Darkover 06 - Die Flamme von Hali
er ganz sicher nicht. Er verdient dein Mitgefühl, nicht deinen Tadel.«
»Nur zu wahr«, sagte Varzil nach einer Weile. »Manches werden wir nie erfahren, und so sollte es auch sein. Jetzt liegt ein Weg deutlich vor mir, eine Suche, der ich mich verschworen habe. Ich danke dir für deine Hilfe, und ich wünsche uns allen - selbst deinem armen Eduin - eine friedvolle Seele, wenn alles vorbei ist.«
Damit erhob er sich und verließ sie, schritt wieder zu dem Turm und bereitete alles für die Nachtschicht vor. Dyannis sah ihn gehen und empfand Bedauern und Bewunderung. Er hatte in seinem Leben schon erheblich mehr gelitten als sie in ihrem, und doch legte er sich den Mantel seiner Verantwortung mit einer stillen Klarheit des Bewusstseins um, für die sie ihn nur beneiden konnte.
Ein Frösteln durchlief sie. In seiner Nähe bin ich ein besserer Mensch .
Sie würde einfach das, was er ihr beigebracht hatte, annehmen und sich um ständige Verbesserung bemühen müssen, als wäre sie ihre eigene Bewahrerin. Schon allein dieser Gedanke ängstigte sie.
Der Winter kam und ging und brachte nur eine geringfügige Unterbrechung der Arbeit. Der Isoldir-Lord schickte die versprochenen Steinmetze und Zimmerleute, zusammen mit Wagen voller Proviant, um dem Turm und den Dorfbewohnern durch die langen dunklen Monate zu helfen.
Zum Mittwinterfest war klar, dass Francisco sich nie so gründlich erholen würde, dass er seine Arbeit als Bewahrer in vollem Umfang wieder aufnehmen konnte. Er konnte kleine Kreise mit zwei oder drei Personen verwalten, die einfache Aufgaben verrichteten. Mehrere Arbeiter waren ihren schleichenden Verletzungen erlegen. Dyannis wusste, dass sie nicht die Ausbildung hatte, um den gesamten Kreis aus fünf Personen ständig zu übernehmen, und Francisco bat sie nicht darum.
Mit dem Frühlingstauwetter wurde das Reisen wieder möglich. Nicht ganz ohne Angst traf Dyannis Vorbereitungen für ihre Rückkehr nach Hali. Die Soldatentruppe, die sie und Varzil begleitet hatte, war mit ihrem Bruder abgereist. Für Dyannis war es unvorstellbar, ohne Geleitschutz zu reisen, selbst mit Lady Helaina als Anstandsdame. Der Lord von Isoldir bot ihr an, sie zum Treffen des Comyn -Rates nach Arilinn mitzunehmen, und von dort aus würde sie mit Carolin Hasturs Truppen nach Hali reisen. Das Treffen, fiel ihr auf, würde erst in diesem Herbst stattfinden. Sie vermutete, dass sie Isoldirs Großzügigkeit dessen Wunsch verdankte, sich so lange wie möglich ihrer Dienste zu versichern.
Wollte sie so lange bleiben? Francisco hatte sich so weit erholt, wie es überhaupt in seinen Kräften stand; schon übte er immer größeren Druck auf sie aus, als Bewahrerin zu fungieren. Bei ihren starken telepathischen Kräften konnte sie sich mühelos mit anderen Leronis verbinden und ihr gemeinsames Bewusstsein dieser bestimmten Aufgabe widmen. Sie lernte, ihre persönlichen Antipathien zu unterdrücken und Wege zu finden, die jeweilige Stärke jedes Arbeiters zu schätzen und das Beste daraus zu machen.
Varzil hatte Recht gehabt. Sie hatte die Kraft und die Befähigung, als Bewahrerin zu arbeiten. Aber ob sie die Verantwortung übernehmen wollte, war eine andere Sache. Ihre Gedanken schweiften wieder zu dem Vorfall am Hali-See, dem ungeheuren Drachen, den sie auf den ungeschützten Verstand des Mobs losgelassen hatte, die Tode, die daraus resultiert waren. Varzil hatte darauf bestanden, dass sie ihre Schuld beglichen habe, dass ihre Wiedergutmachung für diese Tat erfolgt sei. Sogar ihr eigener Bewahrer, Raimon von Hali, hatte das gesagt. Wie Varzil betonte, hatte sie von einem ähnlichen Bann, als sie den Luftwagen von Cedestri begegnet waren, Abstand genommen.
Was war dann los? Was? Nacht für Nacht ging sie, wenn ihre Arbeit im Kreis erledigt war, in dem Turmgemach, das man ihr neu eingerichtet zur Verfügung gestellt hatte, auf und ab. Ihr Instinkt sagte ihr, dass die Lords von Isoldir, sobald sie sich als gehorsam erwies, schon einen Vorwand finden würden, um sie hier zu behalten. Bis sie für sich geklärt hatte, ob sie die Verantwortung einer Bewahrerin übernehmen konnte, war es gefährlich, unter solchen Bedingungen zu bleiben.
Sollte Isoldir nicht rechtzeitig einen Geleitschutz zur Verfügung stellen, würde sie sich an Hali wenden. Bestimmt würde Carolin auf Raimons Wunsch eine Hand voll Männer abstellen, um sie nach Hause zu bringen. Obwohl bald der Morgen dämmerte und die Kälte der
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