Darkover 06 - Die Flamme von Hali
die jetzt auf dem blutgetränkten Feld verstreut lagen, während die Kyorebni stumm über ihnen kreisten. Unter ihnen lagen Pferde, die vor Schmerz um sich traten, andere reglos. Da sie durch die mentalen Augen von Lerrys sah, erkannte sie den Braunen mit den drei weißen Fesseln, der sein Lieblingspferd gewesen war, jetzt ein zäher, blutverkrusteter Fleischklumpen. Unter dem Pferd lag die zertrampelte Gestalt eines Mannes in den Farben der Ridenows und mit den Insignien Sweetwaters. Lerrys hatte durch seine erwachende Gabe der Telepathie beide sterben spüren.
Varzil hatte Recht. Der Wahnsinn muss ein Ende nehmen .
Kein Wunder, dass Lerrys halb verrückt geworden war. Dies war kein einfacher Fall von Schwellenkrankheit, der sich nur mithilfe von Kirian und einer guten Ausbildung beheben ließ. Der Junge benötigte dringend erfahrene Hilfe. Wollte er nicht durch das Geschehene an Geist und Körper bleibende Schäden davontragen, musste er seinen Frieden damit machen. Nirgends sonst konnten sie diesen Trost und diese Heilung finden als in einem Turm.
Sie durfte ihre Abreise nicht länger hinausschieben. Sie musste nach Hali zurückkehren, sobald Lerrys kräftig genug war, auch um dort ihren Platz als Leronis wieder einzunehmen und an der Erfüllung von Varzils Traum mitzuarbeiten.
31
Seit dem Spätfrühling waren Boten zwischen Sweetwater und den anderen größeren Liegenschaften der Ridenows und auch Thendara hin und her geeilt. Jetzt verging kein Tag mehr ohne irgendeine Neuigkeit. Nachdem ihnen die Flucht zurück nach Serrais gelungen war, warteten die Söhne Dom Eirics gespannt auf ein Wort von Asturias, eine Lösegeldforderung oder die Nachricht von seiner Hinrichtung. Boten waren auch zu König Carolin und anderen mächtigen Herrschern unterwegs, um zu sehen, ob ein Bündnis möglich wäre.
Einstweilen herrschte jedoch eine Kampfpause. Selbst Sieger, dachte Dyannis zynisch, müssen sich die Zeit nehmen, ihre Wunden zu lecken.
Eines Abends, kurz nachdem die Nachricht der Niederlage eingetroffen war, berief Dyannis ein Treffen mit Harald ein, in den Privatgemächern, die er als Büro des Anwesens und als Bibliothek benutzte. Das Zimmer war klein und ein wenig düster mit seinem leeren Kamin und den verdunkelten Fenstern. Der Sommer neigte sich bereits dem Ende zu, aber die Abende waren noch nicht kalt genug für ein Feuer. Das Frösteln, fand Dyannis, betraf den Geist. Sie empfand Bedauern, dass sie zu einer solchen Zeit ihre Familie verlassen musste, aber sie hatte sich schon zu lange hier aufgehalten.
Harald ließ sich auf den Holzstuhl neben der Tafel sinken, die ihnen als Schreibtisch diente. Er war schon vor Tagesanbruch aufgestanden, weil Hochsommer war. Zur Erntezeit würde Sweetwater den Verlust so vieler Personen empfindlich zu spüren bekommen, aber einstweilen konnten sie es noch verkraften. Lerrys wurde Tag für Tag kräftiger, und Dyannis ritt oft mit den anderen auf die Weiden hinaus. Sie hatte sich zum Abendessen in ein Hausgewand gekleidet, in erster Linie, um Rohanne zu gefallen, aber Harald trug noch seine Arbeitskleidung.
Er bot ihr Wein und ein Tablett mit kleinen Obsttörtchen an, die mit kristallisiertem Honig bestäubt waren. Eine Süßspeise für Kinder, vielleicht zur Erinnerung an ihre gemeinsame Vergangenheit. Sie lehnte beides ab, denn wenn sie keine Laran -Arbeit verrichtete, stand ihr der Sinn nicht besonders nach Süßigkeiten. Sie machte es sich im zweiten Stuhl bequem, während er einen Kelch für sie füllte.
Nach etwas beiläufigem Geplauder über die Tagesarbeit und das Wetter, das ausgezeichnet gewesen war, leitete Dyannis zur ernsten Seite des Gesprächs über. »Die Straßen sind bis auf weiteres sicher genug, jedenfalls zwischen Thendara und hier. Wir wissen nicht, wie lange der Frieden andauern wird, deshalb dürfen wir nicht zögern. Lerrys muss mich nach Hali begleiten, solange es noch möglich ist.«
»Es gibt doch gar keinen Grund, weshalb Lerrys den weiten Weg bis nach Hali zurücklegen sollte«, sagte Harald. »Der Junge wird mit jedem Tag kräftiger, und außerdem wird er hier in Sweetwater gebraucht.«
»Es geht ihm nicht gut, und das weißt du. Ich selbst habe die Schwellenkrise nur mit knapper Not überlebt, und auch wenn er bisher keinen weiteren Schub hatte, können wir nicht sicher sein, ob es wirklich vorbei ist. Ein weiterer Schub könnte seinen Tod bedeuten.« Sie beugte sich vor und versuchte die
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