Darkover 06 - Die Flamme von Hali
schüttelte. Eduin war nicht sicher, ob er etwas anderes erwartet hatte.
Er hat seinen Zweck erfüllt. Ich brauche ihn nicht mehr .
Er zog die Fingerspitzen über Saravios Stirn, bevor er ihn verließ. Er spürte keinen geistigen Kontakt, denn das war innerhalb des Feldes eines telepathischen Dämpfers unmöglich, aber er empfand tiefe Traurigkeit. Zweifellos hatte der Mann, der ihn aus der Gosse von Thendara gezogen, ihm Unterkunft und Essen gegeben hatte, keine solche Reaktion verdient. Und Saravio hatte ihm noch so viel mehr gegeben. Sie hatten die Freuden und Entbehrungen der Straße geteilt, hatten einander verstanden, Laranzu'in im Exil, wie es wahrscheinlich nur wenige gekonnt hätten. Und mehr als das, Saravio war Eduins einziger Freund gewesen, so gut überhaupt irgendjemand sein Freund sein konnte.
Der telepathische Dämpfer stand auf der Waschkommode neben der Tür. Aus dieser Nähe spürte Eduin seine Wirkung wie ein schwaches Summen entlang seiner Nerven. Da das Gerät Saravio offensichtlich nicht mehr helfen konnte, schaltete Eduin es ab.
Die Veränderung in der allgemeinen psychischen Atmosphäre der Burg hätte ihn beinahe in die Knie gezwungen. Verschwunden war der Wirbel feiertäglicher Freude, ebenso wie die Unruhe um die Situation im Hinblick auf Isoldir. Stattdessen spürte er über das übliche Geplapper gewöhnlicher Geister hinweg eine eindeutige Entschlossenheit, eine Veränderung wie bei einem Fluss, der Hochwasser führt.
Etwas war geschehen, aber er konnte nicht erkennen, was.
Kälte brannte tief in seinem Bauch. Eine Stimme flüsterte in seinem Hinterkopf: Töte… Und er erkannte mit schrecklicher Sicherheit, dass es nicht mehr nur die Stimme seines Vaters war.
Eduin rannte den Flur entlang. Eine Dienerin, die einen Korb mit schmutziger Wäsche trug, machte ihm Platz. Er wurde langsamer.
»Was ist passiert?«, fragte er.
Sie drückte sich erschrocken an die Wand und schüttelte den Kopf. »Ich - ich weiß nicht! Tut mir nicht weh!«
Der Stallknecht würde sicher wissen, was geschehen war. Eduin rannte die Hintertreppe hinunter und nahm dabei immer zwei Stufen auf einmal. Zwei Diener in der Hauslivree von Valeron wichen erschrocken aus. Was wussten sie? Er hatte keine Zeit mehr für nutzlose Antworten. Also eilte er weiter. Flure flogen vorbei, und dann stürzte er auf den Hof hinaus.
Alles sah ganz normal aus; die Morgenarbeit war so gut wie abgeschlossen. Eduin fand den Stallknecht, der gerade Lady Marelies Lieblingsstute zur Tränke führte.
»Was ist passiert?«, rief Eduin. Sein Herz klopfte heftig, und seine Kehle war rau. Er wusste, er sah aus wie ein Wahnsinniger, wie er durch diesen friedlichen Sommermorgen rannte, als wäre die Hälfte der Dämonen aus Zandrus sieben Höllen hinter ihm her. Wie sollte er dieses Gefühl einer drohenden Katastrophe erklären, das jeden seiner Nerven versengte?
Der Stallknecht drehte sich zu ihm um. »Oh, sie haben sich schon vor dem Morgengrauen auf den Weg gemacht, und mehr weiß keiner von uns.«
»Auf den Weg? Wer? Wohin?«
Der Stallknecht streichelte den Hals der Stute. Sie hatte die Schnauze in das grünliche Wasser gesteckt und trank geräuschvoll. Dann hob sie den Kopf, schnaubte Schaum und schüttelte den Kopf, sodass Tropfen sprühten. Der Stallknecht lachte.
»Wohin?«, wiederholte Eduin.
»Oh, das werden wir bald genug erfahren. Was immer unsere Herrin vorhat sie behält es für sich, bis alles erledigt ist. In solchen Zeiten und bei all den Feiertagen kommen und gehen die Leute, und man weiß nie, wer welches Gerücht aufbringt.«
Mit gewaltiger Anstrengung nahm Eduin sich zusammen. »Jemand ist irgendwohin gegangen. Das weißt du also.«
»Sie hat sich leise davongeschlichen, vom Turm zum Feld. Diese kleine Dame hier«, sagte er und deutete auf die Stute, »war alles andere als damenhaft und hätte beinahe ihre Box eingetreten, also war ich wach und habe sie gehört.«
»Vom Turm zum… zum Flugfeld? «
»Genau… «
Eduin blieb nicht, um noch mehr zu hören. Er rannte zum Tor, das zu dem äußeren Hof führte, wo die Luftwagen standen.
Der Hof war leer bis auf einen alten Diener in einem Kittel aus grob gewebtem Stoff, der das Feld rechte.
»Ihr da! Halt!«, erklang die Stimme eines Mannes hinter Eduin.
Er drehte sich um und sah drei Soldaten aus Valeron auf ihn zueilen. Der vorderste trug das Abzeichen eines
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