Darkover 06 - Die Flamme von Hali
war schlau genug, um eine Verbindung zwischen der Maschine, die den Zusammenbruch herbeigeführt hatte, und Varzils Rolle beim Wiederaufbau des Turms von Cedestri zu erkennen. Tatsächlich würde sie Varzils Schatten über Kirella ebenso sehen wie über Asturias im Norden, und sie würde fürchten, dass er sich nun auch nach Valeron selbst ausstreckte… Saravio saß vornübergebeugt und kaum noch bei Bewusstsein auf einem Sessel. Seine Hände zuckten, als liefen Energiestöße durch seine Finger. Er hatte die Augen verdreht, und zwischen den halb geschlossenen Lidern war nur noch das Weiße zu sehen. Juliannas Wachen mussten ihn dort abgesetzt haben und schnell wieder gegangen sein. Viele Soldaten fürchteten sich vor Wahnsinn, als wäre er eine Krankheit, die auch sie befallen könnte. Vielleicht glaubten sie auch, die Berührung der Götter könnte Unglück bringen.
»Armer Narr«, murmelte Eduin, schob die Schulter unter Saravios Arm und zog seinen Freund hoch.
Saravio gewann gerade genug Bewusstsein zurück, um zu seinem Bett zu taumeln. Wie schon so oft zuvor lockerte Eduin die Kleidung seines Freundes und zog seine Arme und Beine zurecht. Einem Impuls folgend legte er eine Hand an die Seite von Saravios Hals. Er spürte die feuchtkalte Haut und den dünnen Pulsschlag.
Mit der körperlichen Berührung kam eine Welle von Bildern. Eine Gestalt schwebte langsam über eine Landschaft, die die Farbe von Asche hatte. Einen Augenblick erkannte Eduin Naotalba nicht, denn sie war vollkommen farblos und durchscheinend. Selbst das Licht verging nach und nach, erschöpft, erloschen.
Eduin streckte den Geist nach der durchscheinenden Gestalt aus, aber noch während er ihren Umriss berührte, verschwand sie. Armer Saravio, er hatte nicht einmal mehr genug geistige Energie, um das Bild seiner Göttin aufrechtzuerhalten.
Saravios Pulsschlag unter Eduins Fingerspitzen begann zu stottern. Ein- oder zweimal glaubte er schon, überhaupt nichts mehr zu spüren, aber dann zuckte der Puls weiter wie bei einem holprigen Tanz. Eduin wusste nicht, ob Saravio jemals wieder aufwachen würde, und wenn er es tat, ob er auch nur seinen Namen erkennen oder wissen würde, wer er war.
Geh in Frieden , betete er. Du hast mir gut gedient. Es gibt nichts mehr, was du tun könntest .
Obwohl ihm dabei bis in die Knochen kalt wurde, dachte er bereits daran, wie er Saravios Tod nutzen könnte, wie er den Anschein erwecken könnte, dass Varzil dabei die Hand im Spiel hatte. Julianna würde wütend sein, wenn sie glaubte, dass König Carolins Agent einem Menschen in ihrer eigenen Burg das Leben nehmen konnte. Aber im Augenblick war Eduin zu betrübt, um diesen Gedanken weiterzuverfolgen.
Ein leises Klopfen an der Tür riss Eduin aus seinen Gedanken. Er stand auf, um nachzusehen, wer es war, aber bevor er noch die Tür erreichte, ging sie schon auf, und Callina schlüpfte herein. Sie hatte eine kleine dunkle Schachtel dabei, die er sofort als telepathischen Dämpfer erkannte.
»Es tut mir Leid, wenn ich störe. Schläft er?« Callina nickte zu dem Bett hin, auf dem Saravio lag. »Er muss Furchtbares durchgemacht haben! Wer hätte geglaubt, dass sich hinter der Maske eines Wohltäters ein solch schreckliches Ungeheuer verbirgt? Ich spreche von Varzil«, fügte sie rasch hinzu.
»Ihr seid also überzeugt, dass der Bewahrer von Neskaya böse Absichten hat?«
»Wie könnte jemand noch daran zweifeln? Es könnte nicht offensichtlicher sein, wenn ich selbst am See von Hali gewesen wäre und es mit eigenen Augen gesehen hätte! Aber ich vergesse das Wichtigste. Hier, ich habe ihm das hier gebracht.« Sie hielt ihm den telepathischen Dämpfer hin.
»Ich weiß, dass der gesegnete Sandoval über Laran verfügt«, sagte Callina, »und dass ihm das zum Teil bei seiner Heilerarbeit hilft. Aber nun ist er derjenige, der Ruhe und Stille braucht. Dieser Dämpfer wird ihn gegen alle mentale Energie von außen abschirmen. Er wird es auch schwierig, wenn nicht unmöglich für ihn machen, seine eigenen Fähigkeiten zu nutzen. Also kann sein Geist sich vollkommen ausruhen, und das ist notwendig, damit er sich erholt.«
Eduin lauschte mit bewusst respektvoller Miene, während sie erklärte, was dieses Ding war und wie man es benutzte. Er war selbstverständlich schon seit langem mit solchen Geräten vertraut. Seit seinen frühen Jahren in Arilinn hatte er in seinem Zimmer einen Dämpfer benutzt, um zu verhindern,
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