Darkover 06 - Die Flamme von Hali
Durst nach Gerechtigkeit zu verstärken.
Ja, er wollte Gerechtigkeit - und den Tod von Varzil Ridenow. Er würde vorsichtig vorgehen müssen. Er hatte keinen direkten Zugang zu einem Turm, und er würde erst recht nicht in die Nähe des berühmtesten Bewahrers auf Darkover gelangen können. Einen Bewahrer von Varzils Fähigkeiten konnte man nicht überraschen oder auf gewöhnliche Weise umbringen. Andererseits: Varzil hatte vielleicht die Möglichkeiten von Rang und Turm hinter sich, aber selbst die mächtigsten Tenerézu waren aus Fleisch und Blut und daher sterblich. Eduin brauchte eine Möglichkeit, Varzil aus Neskaya und in seine Reichweite zu locken, ihn abzulenken…
Und bei der Ausführung dieser Pläne würde Saravio sein Verbündeter, sein Helfer, sein Werkzeug sein.
Als die Straßen wieder offen waren, erschienen auch die Kaufleute wieder, und Gruppen reicher Comyn -Lords gingen in ihren pelzbesetzten Umhängen die breiten Straßen entlang, die Gesichter in die Frühlingssonne gereckt. Das Lachen der Frauen erhob sich über die Musik. Eine Truppe von Gauklern und Straßensängern begleitete sie. Zwei Jungen, offenbar Zwillinge, warfen unter begeistertem Kreischen einen glitzernden Ball hin und her. Ihre Kinderfrau rannte mit wehenden Röcken aus bester Wolle hinter ihnen her.
»Sieh sie dir nur an«, sagte Eduin zu Saravio. Sie standen an einer Ecke neben der Tür eines Gasthauses, wo sie sich mit Holzhacken und Geschirrspülen ein paar Münzen verdient hatten.
Ein Stück weiter die Straße entlang drängte sich eine Menschenmenge in zerfetzten Lumpen, viele mit nässenden Wunden auf der bloßliegenden Haut, gegen die Stadtwachen. Trotz des klaren Himmels lag in der Luft ein leichtes Kribbeln, wie die erste Ankündigung eines Blitzes, nur wahrnehmbar für jene mit ausgebildetem Laran , aber auch für sie nur am Rande.
Saravio trug immer noch einen Umhang. Mit der Zeit hatte er allerdings dank Eduins Hilfe aufgehört, sich wie ein Turmarbeiter zu verhalten. Niemand würde ihn für einen Bauern halten, aber er ging in der Unterschicht unbemerkt durch. Er hätte ein Händler oder ein Soldat sein können, der schlechte Zeiten hinter sich hatte und sich schon zu lange von einem Tag zum anderen auf der Straße durchschlagen musste. Nun fiel es ihm nicht mehr schwer, Arbeit als Tagelöhner zu finden.
Saravio verzog höhnisch den Mund, was Eduin eher spürte als sah. »Sie vergnügen sich, während unser Volk leidet.«
Unser Volk . Eduin fragte sich, ob er Saravios Bitterkeit und den schwelenden Groll der Bevölkerung vielleicht irgendwie ausnutzen könnte, um einen Angriff gegen Varzil Ridenow zu führen. »Die Comyn sind nichts als Parasiten«, sagte er. »Aber es sind die korrupten Türme, die ihre Position sichern. Ohne die Macht der Türme wären sie nichts.«
Eduin hatte einmal geglaubt, dass die Türme keine Befehle von Königen entgegennehmen sollten. Jene, die die Laran -Waffen schufen, sollten als Einzige das Recht haben zu entscheiden, wie sie eingesetzt wurden. Solche Macht sollte herrschen und nicht dienen. Aber auch die Bewahrer waren zu sehr an Gesetz und Tradition gebunden, um die Wahrheit zu erkennen, ebenso wenig wie sie Saravios bemerkenswerte Begabung erkannt hatten. Ihre Gründe mochten sich unterscheiden, aber Eduin und Saravio hatten in ihrem Hass auf die Türme eine gemeinsame Sache gefunden.
»Zurück!«, rief einer der Wachtposten. Er hatte statt des Schwerts einen hölzernen Stock gezogen und drückte ihn gegen die erste Reihe der Menge.
»Habt Mitleid!«, rief ein Mann. Sein Hemd hing lose an Schultern, die einmal breit und stark gewesen waren. Nun standen seine Knochen vor wie die Balken einer Hausruine. »Meine Kinder verhungern!«
»Dann hättest du bleiben sollen, wo du hingehörst, statt nach Thendara zu kommen!« Einer aus der Gruppe von Comyn , ein junger Mann von kaum zwanzig, machte einen Schritt auf die Menge zu. Er hatte den Umhang zurückgeworfen, und man sah eine Tunika aus kunstvoll gemustertem Samt und eine goldene Kette, von deren Preis man ein ganzes Dorf ein Jahr lang hätte ernähren können. Die Sonne schimmerte auf seinem hellen Haar, das strohblond war und nur eine Spur von Rot aufwies. Eduin fing nur ein winziges bisschen Laran von dem jungen Mann auf, nicht annähernd genug, um eine Ausbildung zu lohnen.
»Guter Mann«, fuhr der junge Adlige lässig fort, »hast du geglaubt, dass die Straßen hier voller
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