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Darkover 06 - Die Flamme von Hali

Titel: Darkover 06 - Die Flamme von Hali Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley / Deborah J. Ross
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Mannes hinwegsetzen. Grelle, lebhafte Bilder zuckten vor seinem geistigen Auge auf. Er sah kurz einen Turm, der sich im Licht eines Blitzes vor dem dunklen Himmel abzeichnete, dann einen Schneesturm von wirbelndem Grau und Weiß, einen Fluss mit Hochwasser und eine Gestalt in einem langen, dunklen Umhang. Der Schnee verschwand, und nun war nur die Gestalt geblieben, die sich langsam zu ihm umdrehte.
   Er erkannte, dass es eine Frau war, als Hände so bleich wie Schnee die Kapuze zurückzogen. Sie hob den Kopf. Ihr Haar war tiefschwarz, umrahmte die makellose Stirn, und ihre Haut schimmerte wie Perlen. Eine winzige Spur von Rosa auf ihren Wangen und Lippen war die einzige sichtbare Farbe. Graue Augen betrachteten Eduin forschend, und dennoch wusste er, dass sie ihn nicht sehen konnte.
   Ihre Schönheit war herzzerreißend, und dennoch empfand Eduin nur Mitleid, als er sie ansah. Mitleid, dass eine solche Frau nicht mehr auf der Erde wandelte, sondern in die sieben gefrorenen Höllen absteigen musste.
   Ihre Lippen bewegten sich; vielleicht sagte sie Adelandeyo, geh mit den Göttern - ein förmlicher Abschiedsgruß bei den Comyn .
   Und tatsächlich hatte sie mit den Göttern gehen müssen.
   Naotalba .
   Eduin wiederholte ihren Namen. Er fürchtete, wenn sie ihm antwortete, wenn sie seinen eigenen Namen riefe, würde sein Herz zerspringen.
   Dann erhob sich eine Windbö. Sie peitschte Naotalbas grauen Umhang, wirbelte den Schnee zu ihren Füßen zu einem glitzernden Schleier auf. Zuerst verschwand ihr Körper, dann das bleiche Oval ihres Gesichts. Ihr dunkler Umhang bauschte sich, wurde größer, bis er aussah wie ein riesiges Maul, das sich öffnete, um die ganze Welt zu verschlingen. Ringsumher tobte der Wind, Massen von Schneeregen und Dunkelheit, viel schlimmer als jeder Schneesturm in den Hellers. Eduin wurde Zeuge eines Unwetters, das kein Mensch überleben konnte, eines Mahlstroms direkt aus Zandrus kältester Hölle. Und er wollte ihn verschlingen… NAOTALBA! NAOTALBA!
   Klauen wie gefrorene Dunkelheit drangen in ihn ein. Voller Entsetzen warf er sich zurück. Die psychische Substanz seines Körpers streckte sich und riss. Ein blechernes Scheppern hallte in ihm wider.
   Eduin fand sich in seinem eigenen Körper auf dem Holzboden liegend. Seine ausgestreckten Beine zuckten einen Augenblick. Dann stand er auf. Er fuhr mit zitternden Fingern über sein Gesicht und spürte, dass seine Haut feucht und heiß war wie bei einem Fieber. Er griff nach dem schmutzigen Stück Seide und steckte seinen Sternenstein weg. Schwer atmend blickte er hinab auf den Mann auf dem Strohsack.
   Saravio lag auf dem Rücken und atmete tief und gleichmäßig. Die bläuliche Färbung seiner Lippen war verschwunden, und noch während Eduin zusah, schwand auch die eiserne Anspannung aus seinen Muskeln. Saravios Züge entspannten sich, und er sah aus wie ein schlafendes Kind.
   Eduin spürte, wie das Blut ihm in den Ohren rauschte, und Schweiß lief ihm über Hals, Brust und Rücken. Nach und nach wich sein Entsetzen dem Mitleid. Er kannte Geschmack und Gewicht von Besessenheit, die Bitterkeit einer solchen Versklavung. Wie musste es sein, Tag um Tag mit solchen Visionen zu leben, ausgestoßen von dem Turm, der seine beste Hoffung auf Heilung war?
   Wenn Eduin eine Chance haben wollte, den Fluch seines Vaters zu beenden, musste er eine Möglichkeit finden, diesem armen verrückten Mann zu helfen. Er murmelte ein Gebet, das er lange vergessen geglaubt hatte, und schlüpfte nach draußen.

Später, als die Abenddämmerung begann, die Stadtschluchten zu verdunkeln, kehrte er in Saravios Zimmer zurück. Es sah alles ganz ähnlich aus wie zu dem Zeitpunkt, als er gegangen war, aber Saravio lag auf der Seite, die Knie angezogen und der Kopf auf dem ausgestreckten Arm ruhend; er atmete tief und gleichmäßig. Eduin spürte das alles eher, als dass er es sah. Die verbeulte Laterne, die er mit einem Teil seines Lohns gekauft hatte, warf ein schwaches Licht. In der anderen Hand hatte er ein Stück Nussbrot, das billigste, was er hatte finden können, und einen Wasserschlauch. Es hatte all seine Entschlossenheit gebraucht, den Schlauch nicht mit Bier zu füllen.
   Mit einem müden Seufzer stellte er die Laterne auf den Tisch und setzte sich auf den Strohsack. Er legte eine Hand auf Saravios Schulter. Der körperliche Kontakt überflutete ihn mit Laran -Wahrnehmungen. Während Saravio schlief, setzte sein Hirn

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