Darkover 06 - Die Flamme von Hali
würden jetzt alle jedes Wort hören und sich daran erinnern.
»Und ob er sich nehmen wird, was ihm zusteht, ist noch etwas ganz anderes«, sagte er. Die Menschen rings um ihn her waren für sein Laran so deutlich wahrzunehmen, als hätten sie ihre Gefühle laut herausgeschrien. Zorn und Neugier setzten sich über ihre tief eingefleischte Angst hinweg.
Der Bauer rieb sich mit der gesunden Hand die verkrüppelte Schulter, als wollte er messen, welchen Wert seine eigene menschliche Macht gegen Zauberei hatte, die eine Waffe wie Haftfeuer hervorbringen konnte.
»Was nützt das schon? Was kann einer von uns schon gegen die mächtigen Adligen ausrichten? Und was wird aus meinen Kindern, wenn man mich ins Gefängnis steckt und ich nicht einmal mehr die paar jämmerlichen Reis nach Hause bringe, die ich jetzt verdiene?«
Einer der Männer murmelte: »Was sollen wir tun? Sie gehen zu Festbanketten, während unsere Kinder verhungern.«
Ringsumher nickten andere Männer und Frauen. Ihre Augen glühten vor Eifer.
»Und warum ist das so?«, fragte Eduin. »Wer gibt ihnen das Recht, sich von allem das Beste zu nehmen? Sind sie Götter, dass sie sich anmaßen zu entscheiden, wer leben und wer sterben wird? Brennen sie von dem Haftfeuer , über das sie gebieten?«
»Nein!«, rief eine Frau mit pockennarbigem Gesicht. » Wir hungern! Wir brennen!« Ihr bis dahin unterdrückter Zorn flackerte plötzlich heftig auf.
»Ich will nichts weiter von diesen verräterischen Reden hören«, meldete sich ein grauhaariger Bursche mit einer Augenklappe zu Wort und machte einen Schritt rückwärts. Sein Umhang war ebenso schmutzig und abgerissen wie die Kleidung der anderen, über er hielt sich wie ein Soldat. »Ich habe für König Carolin gekämpft, als er Rakhals Schreckensherrschaft ein Ende machte. Und jetzt haben er und Varzil, den sie den Guten nennen, sich diesen Pakt ausgedacht, der solch schrecklichen Kriegen für immer ein Ende machen soll. Sollen ehrliche Soldaten kämpfen, so gut sie können, und die Zauberer sollen sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern!«
»Glaubst du wirklich, dass die Adligen ihre besten Waffen aufgeben werden?« Die Frau fuhr zu ihm herum. »Dass sie sich um solche wie uns scheren?«
»Halt den Mund, Frau«, knurrte der Grauhaarige und zeigte auf Saravio und Eduin. »Der König ist hunderte von denen da wert, und wenn er sagt, dass er Frieden in dieses Land bringen wird, dann glaube ich das.«
»Lasst uns noch mehr darüber sprechen«, drängte Eduin. »Aber nicht hier auf der Straße, denn Spione sind überall. Wir treffen uns heute Abend an einem sicheren Ort - im Gasthaus Zur weißen Feder.«
»Ja, das kennen wir«, sagte ein anderer Mann, der ebenfalls gekleidet war wie ein Bauer. »Die Leute dort sind ehrlich, oder zumindest so ehrlich, wie man in diesen Zeiten sein kann.«
Rasch vereinbarte Eduin einen Zeitpunkt. Dann streifte er die sich auflösende Gruppe noch einmal mit dem Geist. Hoffnung war aufgeflackert, und Aufregung, die weit über das, was er erwartet hatte, hinausging. Jemand hatte die glühenden Kohlen der Unruhe sanft zu flackernden Flammen geschürt.
Saravio.
Der rothaarige Mann starrte ins Leere. Eduin spürte die Laran -Macht, die von ihm ausging, und war Überwacher genug, um die beinahe euphorische Reaktion der Menge zu bemerken.
Eduin musste Saravio mehrmals ansprechen, ehe der andere Mann ihn zu hören schien. Saravio blinzelte, als erwachte er aus dem Schlaf, und ließ sich nicht anmerken, dass etwas Ungewöhnliches geschehen war.
»Wir müssen im Gasthaus Vorbereitungen treffen«, sagte Eduin. »Die Frau des Wirts wird sich sicher an dich erinnern.«
»Wie auch nicht?«, sagte Saravio, als sie sich auf den Rückweg durch den Irrgarten enger Straßen machten. »Aber ich verstehe nicht, wozu ein solches Geheimtreffen gut sein soll. Das da sind arme, unwissende Leute. Nutzlos.«
»Für die großen Herren in ihren Palästen sind sie das zweifellos. Vielleicht sogar für dich oder mich.« Eduin hielt um der dramatischen Wirkung willen einen Augenblick inne. »Aber nicht für Naotalba.«
Wie er erwartet hatte, wurde Saravio sofort aufmerksam.
Eduin drängte weiter. »Hat sie mich nicht zu dir geführt? Genau wie jetzt diese Menschen? Diese Armee.«
»Naotalbas Armee? Aber Eduin - das sind keine Soldaten. Sie sind in Lumpen gekleidet. Sie haben keine Waffen, keine Ausbildung.
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