Darkover 06 - Die Flamme von Hali
Deslucido.«
»Ich habe von ihm gehört«, sagte Dyannis. »Ich dachte, er wäre beim Einsturz des Turms von Neskaya umgekommen.«
»Nein, er konnte in das wilde Land jenseits des Kadarin entkommen. Er heiratete eine Frau von dort, nahm ihren Namen an, und als er mich und meine Brüder aufzog, hat er uns auf ein einziges Ziel eingeschworen.«
Rache .
Dyannis schauderte, ebenso wegen der Besessenheit, die Eduins Vater angetrieben hatte, wie wegen König Rafaels harschem Sieg. So etwas geschah im Krieg, nahm sie an, obwohl ein siegreicher Lord häufig einen würdigen Gegner ins Exil schickte und seine Söhne als Geiseln behielt, um dafür zu sorgen, dass der Frieden andauerte. Vielleicht hatte Rafael einen wichtigen Grund gehabt, seinen Feind so gnadenlos zu behandeln.
»Selbst wenn König Rafael aus Bosheit handelte, hätte es doch sicher damit enden sollen«, sagte sie laut. »Er hatte keine Söhne, also ist der Thron an eine Seitenlinie gegangen und dadurch an Carolin. Das ist doch bestimmt Gerechtigkeit genug.«
»Es kann keine Gerechtigkeit für ein solches Verbrechen geben, außer der vollkommenen Auslöschung seiner Linie - und der ihren«, sagte Eduin trostlos. »Immerhin haben sie uns das Gleiche angetan. Ohne seine Fähigkeiten wäre auch mein Vater gestorben. Ich will damit nicht sagen, dass seine Rache richtig war, aber sie war berechtigt.«
So viele Leben verloren und zerstört, dachte Dyannis, ganze Landstriche für Generationen vergiftet, Dörfer dem Erdboden gleichgemacht, Familien ihrer Lieben beraubt. Und wozu? Um die Machtgier eines Königs zu befriedigen?
Aber alles, was sie über Rafael Hastur und Königin Taniquel wusste, legte nahe, dass sie nicht zu sinnloser Bösartigkeit geneigt hatten.
Ihre Astralgestalt schauderte, und sie wusste, dass in der physischen Welt ein Hagel aus brennendem Stein und Holz auf sie und Javanne gefallen war. Ein Dutzend Haftfeuer -Tröpfchen klebten an ihr. Ihr Haar und ihr Kleid hatten Feuer gefangen. Schon bald würde sie die schrecklichen Schmerzen des Verbrennens spüren. Hier in der Überwelt jedoch konnte sie die Zeit verlangsamen, lange genug, um herauszufinden, wieso sie und so viele andere sterben mussten.
Sie streckte die Arme nach Eduin aus, packte seine Arme. »Warum? Womit hat das alles angefangen? Was hat solchen Hass hervorgerufen, dass Menschen einander so schrecklich behandelt haben?«
»Sie konnten nicht… « Eduins Stimme brach. »Sie hatten Angst, uns am Leben zu lassen.«
»Warum? Was hat deine Familie getan?«
»Es war nicht, was wir getan haben.« Er klang noch trostloser als zuvor. »Es war das, was wir waren. Es war wegen der Deslucido-Gabe.«
»Und was ist das? Ein Relikt aus dem Zeitalter des Chaos?«
»Ich weiß nicht, wie es angefangen hat, ob durch ein Zuchtprogramm oder zufällig, aber wenn es jemand herausgefunden hätte, hätte das für uns alle den Tod bedeutet.«
»Was war diese Gabe, die bewirkte, dass Rafael Hastur und Königin Taniquel sich so barbarisch verhielten, um sie zu eliminieren?«
Eduin sah sie lange an. Die lebenslange Notwendigkeit zur Geheimhaltung stieg wieder in ihm auf, ließ ihn innehalten.
Schreie hallten durch die Überwelt. Die Flammen wurden heller und nahmen nun die orangeweiße Färbung von Haftfeuer an.
»Sag es mir zumindest, bevor ich sterbe!«, schrie sie.
»Wir können den Wahrheitsbann überwinden«, rief er.
»Was? Das ist unmöglich!«
»Glaub mir, Carya preciosa , es ist viel einfacher möglich, als du dir vorstellen kannst. Ich habe es selbst schon getan, habe im blauen Licht gestanden und Dinge gesagt, von denen ich wusste, dass sie falsch waren.«
Entsetzen stieg in ihr auf wie Galle. Wie Varzil schon gesagt hatte, sie verfügte über einen gewissen Instinkt, die politische Bedeutung der Dinge zu erkennen. Sie wusste sofort, welche Folgen es hätte, wenn man sich nicht mehr auf den Wahrheitsbann verlassen konnte. Ohne solche Sicherheit hätte kein Pakt, kein Vertrag Bestand, und die Menschen würden selbst der Ehre eines Königs misstrauen. Die einzige Sicherheit würde in der Macht liegen, und der Schlüssel zur Macht bestand in Laran -Waffen. Varzils Pakt und jede Hoffnung auf anhaltenden Frieden würde sich als so flüchtig erweisen wie ein Schwärm Eintagsfliegen bei einem Unwetter in den Hellers.
»Diese Gabe«, sagte sie mit belegter Stimme. »Haben alle in deiner Familie
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