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Darkover 10 - Die zerbrochene Kette

Titel: Darkover 10 - Die zerbrochene Kette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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fütterte ihre Tiere, setzte sich dann beim Licht der Sattellaterne hin und zog einen Stiefel aus. Entsetzt hielt sie den Atem an, als sie die weißlichen Flecken auf dem geröteten Fleisch unter dem nassen Strumpf entdeckte. Ich brauche Feuer , dachte sie, und etwas Heißes, um die Blutzirkulation in Gang zu bringen . Sie hatte den Großteil ihres Lebens auf Darkover verbracht und kannte die Gefahrenzeichen. Jetzt kam es nicht mehr in Frage, draußen zu kampieren.
   Sie mußte sich eben auf die traditionelle Neutralität der Reiseunterkünfte verlassen. Und ihre Verkleidung hatte schließlich auch die Händler getäuscht, mit denen sie neulich zusammen übernachtet hatte.
   Magda nahm ihre Satteltaschen und ging zum Hauptgebäude hinüber. Fast automatisch zog sie den Mantelkragen hoch, um ihren bloßen Hals zu bedecken. Dann legte sie ihn erschrocken wieder um. Ihre Amazonentracht und ihr kurzes Haar waren in dieser Situation der beste Schutz. Für eine normal gekleidete und sich benehmende Frau wäre ihr einsamer Ritt eine Ungeheuerlichkeit gewesen.
   Sie stieß die Tür auf und trat ins Licht mehrerer Laternen. In dem langen, mit einem Steinfußboden versehenen Raum hielten sich zwei Gruppen von Reisenden auf, eine an jedem Ende um die Feuerstellen geschart. Der Mut schwand ihr beim Anblick der Männer in der Nähe der Tür; fast wünschte sie, doch die Gefahren einer Übernachtung im Wald auf sich genommen zu haben. Es waren große, rauhe Männer in fremdartig geschnittenen Mänteln, und Magda meinte, in den Blicken, mit denen sie den Neuankömmling betrachteten, mehr als bloße Neugier zu lesen.
   Das Gesetz der Straße verlangte, daß Magda als erste das Wort ergriff. Sie sprach die beinahe rituelle Grußformel, und ihre Stimme klang hoch und kleinmädchenhaft in dem riesigen, widerhallenden Raum:
   »Als später Gekommene bitte ich diejenigen, die vor mir da waren, um Erlaubnis, die Unterkunft mit ihnen zu teilen.«
   Einer der Männer, hochgewachsen und stämmig mit einem grimmig wirkenden, rötlich-goldenen Schnurrbart, gab die vorgeschriebene Antwort: »Seid willkommen; betretet diesen neutralen Ort in Frieden und geht wieder in Frieden.« Seine Augen ruhten auf ihr mit einem Ausdruck, der ihre Haut prickeln ließ. Es lag nicht daran, daß der Mann unrasiert war und seine Kleider alles andere als sauber wirkten, das konnte auf das schlechte Wetter und die Unbilden seiner Reise zurückzuführen sein. Es war etwas in seinen Augen. Aber die Gesetze der Reiseunterkünfte sollten ihr Schutz bieten. Sie umklammerte ihre Satteltaschen und schob sich vorbei. Beide Feuerstellen waren besetzt, aber sie wollte ein kleines Feuer an dem Steinsockel der Wand entzünden. Dazu brauchte sie sich nicht einmal mit Zunder abzuquälen; sie konnte sich Glut ausleihen. (Aber bestimmt nicht von dem Mann mit dem Schnurrbart!)
   Am hinteren Ende hatten sich fünf oder sechs Personen versammelt. Sie drehten sich um, als Magda sprach, und eine von ihnen, eine hochgewachsene, sehr dünne Gestalt, kam auf sie zu.
   »Sei willkommen, Schwester«, sagte die Gestalt, und Magda vernahm die Stimme voller Erstaunen. Es war die Stimme einer Frau, tief und etwas heiser, aber unzweifelhaft weiblich. »Komm und setz dich zu uns ans Feuer.«
   Zandrus Höllen , dachte Magda, in ihrer Bestürzung unwillkürlich einen darkovanischen Gott anrufend, was nun?
   Es sind Freie Amazonen.
   Echte!
   Die große, magere Frau wartete nicht auf Magdas Zustimmung. Sie fuhr fort: »Ich bin Camilla n’ha Kyria, und wir sind unterwegs nach Nevarsin. Komm, leg dein Gepäck hierher.« Sie befreite Magda von ihren Satteltaschen und führte sie ans Feuer. »Du bist halb erfroren, Kind! Zieh diese durchweichten Kleider aus, falls du welche zum Wechseln hast. Wenn nicht, wird dir eine von uns etwas leihen, bis deine eigenen Sachen getrocknet sind.« Sie zeigte auf eine Stelle, wo die Frauen Leinen gezogen und Decken aufgehängt hatten, um sich einen Privatraum abzuteilen. Im Licht der Laterne, die dort brannte, sah Magda die Amazone Camilla deutlich. Sie war groß und hager; ihr Gesicht trug tiefe Furchen, die teils vom Alter, teils von Narben herrührten, die nach Messerstichen aussahen. Ihr Haar war ganz grau. Sie hatte Übermantel und Jacke ausgezogen und trug nur das gestickte leinene Unterhemd einer Frau aus Thendara. Darunter war ihr Körper so mager und flach, daß Magda erkannte, was sie war: Eine emmasca , eine Frau, die

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