Darkover 16 - Die Winde von Darkover
Integrität und Ehre. »Meine Verwandten und die Frauen unserer Leute sind der Gnade von Brynats Männern ausgeliefert.«
Kerstal runzelte leicht die Stirn. »Und du bist hier, lebendig und unverwundet?«
»Tote haben kein Kihar «, antwortete Storn schnell. »Auch können die Toten ihren Verwandten nicht zu Hilfe kommen.«
Darüber mußte Kerstal erst einmal nachdenken. Hinter ihnen in den äußeren Gängen entstand Lärm, dann war ein Aufschrei zu hören. Etwas an dieser Stimme kam Storn vage bekannt vor; sie fuhr ihm durch Mark und Bein. Er konnte sie nicht identifizieren, aber irgend etwas geschah da draußen…
Kerstal achtete nicht auf die Geräusche. Er erklärte bedächtig: »Damit hast du nicht ganz unrecht, Fremder, und - eure Ansichten sind nicht die unseren - deiner Ehre ist kein Schaden geschehen, der nicht wiedergutzumachen wäre. Doch ich sage es dir gleich, unsere Leute lassen sich nicht in Fehden der Gebirgler verwickeln. Das Haus von Rannath verkauft seine Schwerter nicht in die Berge; es gibt genug Kihar auf unseren eigenen Ebenen zu finden.«
»Auch habe ich dich nicht darum gebeten«, gab Storn sofort zurück. »Als ich Carthon das letzte Mal besuchte, gab es viele, die ihr Schwert gern gegen die Chance einer Belohnung verkauften. Ich bitte dich nur um die Erlaubnis, sie zu fragen.«
»Eine Erlaubnis dieser Art kann dir nicht verweigert werden«, meinte Kerstal, »und wenn deine Geschichte wahr ist, wird das Haus von Rannath keinem freien Mann, der nicht anderweitig gebunden ist, verbieten, in deine Dienste zu treten. Nun nenne deinen Namen, Charrat von High Windward.«
Storn richtete sich zu seiner vollen Höhe auf.
»Mit Stolz trage ich den Namen meines Vaters.« Seine Stimme - ein kräftiger Baß - klang laut und deutlich, obwohl sie ihm selbst fremd vorkam. »Ich bin Loran Rakhal Storn, Lord von Storn, von High Windward.«
Kerstal maß ihn mit einem nicht zu deutenden Blick. »Du lügst.«
Und in der ganzen Halle erklang ein Geräusch, das Storn noch nie gehört hatte und trotzdem nicht mißdeuten konnte. Rings um ihn zogen Männer ihre Schwerter. Mit einem schnellen Blick vergewisserte er sich.
Er stand in einem Kreis nackter Klingen.
10
Melitta hatte aufgehört, sich zu wehren. Mit gesenktem Kopf ging sie zwischen ihren Wächtern und dachte bitter: Ich habe versagt. Es war nicht genug, daß ich mir den Weg durch die Pässe erzwungen, mich des Nachts vor den Banshee-Vögeln versteckt, mich im Schnee verirrt, das Pferd, das hoch oben erfror, verloren habe… Nein, es gelingt mir, bis nach Carthon zu kommen, und als erstes passiert, daß ich gefangengenommen werde, sobald ich die Stadt betrete!
Denke nach, Melitta, denke - es muß einen Ausweg geben. Was wollen sie von mir, welches Gesetz habe ich übertreten? Storn hätte mich nie hergeschickt, wenn es für mich unmöglich wäre, Hilfe zu finden. Aber wußte Storn es?
Sie richtete sich auf und zwang die beiden großen, hellhaarigen Männer, mit ihr stehenzubleiben. »Ich gehe keinen Schritt weiter, bevor mir gesagt worden ist, was ich verbrochen haben soll«, sagte sie. »Ich bin eine freie Frau aus den Bergen, und ich kenne eure Gesetze nicht.«
Einer der Männer bemerkte kurz: »Herrenlose Dirnen – « das Wort, das er benutzte, war nicht in Melittas Sprache zu übersetzen, sie hatte jedoch schon gehört, daß es als besonders schmutzige Beleidigung verwandt wurde » - laufen hier in Carthon nicht unter anständigen Menschen frei herum, ganz gleich, welche Sitten ihr jenseits des Kadarin haben mögt.«
»Habt ihr keine Achtung vor den Sitten Fremder?« fragte sie.
»Doch, wenn sie den allgemeinen Anstandsregeln entsprechen«, antwortete der andere Mann in einem so barbarischen Dialekt, daß Melitta Mühe hatte, ihn zu verstehen. »Aber kommt eine Frau hierher, muß man, wie es sich gehört, erkennen können, daß sie jemandes Besitz ist, und wir wollen den Namen ihres Herrn wissen. Der Lord von Rannath wird entscheiden, was mit dir geschehen soll, Mädchen.«
Melitta lockerte ihre angespannten Muskeln und ließ sich weiterziehen, vorbei an glotzenden Männern und dem leisen Gelächter der Frauen. Mit Entsetzen bemerkte sie die gefesselten Hände der Trockenstädterinnen. Sie schämte sich für sie und fragte sich, wie sie den Kopf hochtragen und mit so etwas wie Stolz einherschreiten konnten. Ihre schönen Kleider und die Bänder und Edelsteine in ihren
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