Darkover 16 - Die Winde von Darkover
noch den ganzen Tag, um bis an den Fuß des Berges zu gelangen, auf dem sie stand. Eine vielberittene und stark befestigte Straße führte hinauf. Dort wurden sie von zwei vermummten Männern angehalten. Sie fragten sie mit äußerster Höflichkeit nach ihrem Begehr. Doch verlangten sie, daß sie unten warteten, bis der Lord von Aldaran von ihrem Kommen benachrichtig worden sei, und das mit solchem Nachdruck, daß weder Storn noch Melitta den Wunsch zu einem Protest verspürte.
»Sagt dem Lord von Aldaran… « - Storns Stimme klang tonlos vor Müdigkeit - »… daß seine entfernten Verwandten von Storn zu High Windward ein Obdach, seinen Rat und seine Gastfreundschaft brauchen. Wir sind lange geritten und sind müde, und wir bitten ihn, uns unseres gemeinsamen Blutes wegen hier ausruhen zu lassen.«
»In Sicherheit hier ausruhen könnt ihr selbstverständlich«, erklärte der eine Mann verbindlich, und Melitta seufzte erleichtert. Sie befanden sich unter Menschen ihrer eigenen Art. »Wollt Ihr Euch ins Torhaus begeben, mein Lord und Damisela? Eure Pferde will ich versorgen lassen. Ich kann den Lord von Aldaran ohne seine Einwilligung nicht stören, aber wenn ihr seine Verwandten seid, werdet ihr bestimmt nicht lange zu warten brauchen. Ich stehe euch zu Diensten, und für alle Reisenden sind Lebensmittel da, falls ihr welche braucht.«
In dem kleinen, kahlen Torhaus lächelte Storn Melitta kurz zu. »Aldaran hält den alten Brauch der Höflichkeit gegen Fremde hoch, was sein Haushalt auch sonst verbrochen haben mag.«
Nach fast unglaublich kurzer Zeit (Storn fragte sich, ob irgendein Signalapparat benutzt worden sei, denn ein Bote hätte es bis zur Burg hinauf und wieder zurück kaum schaffen können) meldete der Wachtposten: »Lady Desideria hat mir befohlen, euch zum Haupthaus zu führen und für eure Bequemlichkeit zu sorgen, Lord und Lady. Und wenn ihr euch ausgeruht und erfrischt habt, wird sie euch empfangen.«
Während sie den von Stufen unterbrochenen Weg hinaufstiegen, flüsterte Storn: »Ich habe keine Ahnung, wer Lady Desideria ist. Der alte Kermiac wird kaum noch einmal geheiratet haben. Vielleicht ist sie die Frau eines seiner Söhne.«
Aber das junge Mädchen, das sie begrüßte, war keines Mannes Gattin. Sie konnte nicht viel älter als fünfzehn sein und war eine hinreißende rothaarige Schönheit. Sie verfügte über eine Haltung und eine Sicherheit, daß Melitta sich im Vergleich mit ihr linkisch, bäurisch und verlegen fühlte.
»Ich bin Desideria Leynier«, sagte sie. »Meine Pflegemutter und mein Vormund sind nicht zu Hause. Sie kommen morgen wieder und werden euch auf schickliche Art willkommen heißen.« Sie trat zu Melitta, ergriff ihre Hände und forschte mit freundlichen Augen in ihrem Gesicht. »Armes Kind, du siehst aus, als seist du beinahe zu Tode erschöpft. Es wird dir guttun, dich eine Nacht richtig auszuschlafen, bevor du deine Gastgeber kennenlernst. Und Ihr, Master, müßt Euch ebenso ausruhen und alle Förmlichkeiten vergessen. Auch wenn ich persönlich die Storns nicht kenne, sind sie doch meinem Haushalt bekannt. Ich heiße euch willkommen.«
Storn dankte ihr, aber Melitta hörte nicht auf die Worte. Dies merkwürdige Mädchen hatte mehr an sich als nur Selbstsicherheit. Melitta spürte große innere Kraft und eine unheimlich entwickelte Empfindsamkeit. Lady Desideria überragte sie so sehr, daß sie sich neben ihr wie ein Kind vorkam. Sie verbeugte sich tief. » Vai leronis «, flüsterte sie. Es war das alte Wort für eine in den ehrwürdigen Wissenschaften erfahrene Zauberin.
Desideria lächelte fröhlich. »Ach nein«, wehrte sie ab, »nur eine, die ein bißchen über die alten Künste weiß - und wenn ich richtig lese, Kind, sind sie auch dir nicht fremd! Aber darüber können wir ein anderes Mal reden. Ich wollte euch nur im Namen meiner Pflegeeltern begrüßen.« Sie rief einen Diener, die Gäste zu führen, und ging selbst vor ihnen die langen Flure hinunter. Offensichtlich war es, kurz vor dem Abendessen, eine Stunde der Betriebsamkeit; Leute kamen und gingen, und darunter waren ein paar große dünne Männer, die den Ankömmlingen flüchtige Aufmerksamkeiten schenkten. Storn holte tief Atem und grub Melitta die Finger in den Arm.
»Es sind Terraner hier - so tief in den Bergen«, flüsterte er. »Bei Zandrus Höllen, was geht auf Aldaran vor? Sind wir von der Falle in den Kochtopf gewandert? Ich hätte nie geglaubt,
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