Darkover 16 - Die Winde von Darkover
Barron fühlte den wachsenden Fluß der Kraft, die vereinigten Gedanken und Gefühle der Gläubigen, die sich durch ihn in Desideria ergossen - in die Flammengestalt, das Feuerbild.
Unzusammenhängende Gedanken tauchten am Rand seines Bewußtseins auf. Ketten. Ist das der Grund, warum sie in den Trockenstädten ihre Frauen in Ketten legen? In der Legende heißt es, wenn Sharra jemals ihre Ketten bricht, wird die Welt in Flammen aufgehen… Auf Terra gibt es ein altes Sprichwort, daß Feuer ein guter Diener, aber ein schlechter Herr ist.
Auf Darkover auch; jeder Planet, der das Feuer kennt, hat diese Erfahrung gemacht.
Larry! Du! Wo bist du?
Nicht hier; ich spreche zu deinem Geist, später werde ich zu dir kommen .
Barron fiel wieder in Rapport mit Desideria, doch ihm war vage bewußt, daß er ihn nie verlassen hatte und seine Wahrnehmungen sich jetzt außerhalb der normalen Zeit und des normalen Raums bewegten. Irgendwie war auch Storn anwesend. Barron schloß ihn aus, schloß alles aus bis auf die Kraftlinien, die beinahe sichtbar von den Gläubigen ausströmten - durch seinen Körper und sein Gehirn hinein in das Feuerbild. Mit vervielfältigten Sinnen war er fähig, in und durch das Feuerbild zu sehen - Desideria zu sehen, aufrecht und ruhig und zart und irgendwie frohlockend -, aber er sah sie nicht mit seinen Augen.
Jetzt flogen Pfeile in die Menge, Männer fielen lautlos, seltsam entrückt. Ein Pfeil schwirrte in das Feuerbild hinein, ging in Flammen auf und verschwand in weißer Glut. Das Feuerbild wuchs höher und höher hinauf. Sharra streckte die Arme aus und spreizte die Finger, von denen Kugelblitze und Kettenblitze tropften. Die Männer auf der Mauer brachen in wahnsinniges Geschrei aus, als ihre Kleider in Flammen aufgingen und ihre Körper von dem alles verzehrenden Feuer ergriffen wurden.
Barron konnte später nicht sagen, wie lange diese schreckliche Schlacht getobt hatte, denn er weilte in einer zeitlosen Welt, jenseits von Müdigkeit und Wahrnehmung. Doch er spürte es, daß Brynat fluchend versuchte, seine fliehenden, brennenden, sterbenden Männer zum Stehen zu bringen, er spürte es, daß das große Feuerbild mit einem einzigen Schlag die Außenwerke zerbrach, als seien sie aus Käse geschnitten. Brynat, verzweifelt, sich gegen eine Magie wehrend, an die er bis zum Ende nicht glaubte, lief außer Reichweite der Flammen um die Mauern.
Von irgendwo kam ein großer weißer Vogel geflogen. Er flatterte wild um Brynats Kopf. Brynat schlug nach ihm, doch der Vogel kam näher, stach mit seinem glitzernden Metallschnabel nach seinen Augen. Der Räuberhauptmann verlor das Gleichgewicht, fiel und stürzte mit einem langen, jammernden Schrei in den Abgrund unterhalb der Burg.
Das Feuer sank nieder und erstarb. Barron fühlte das Energienetz dünner werden und sich auflösen. Er fand sich auf den Knien wieder, als sei er körperlich von den gewaltigen Strömen, die ihn überflutet hatten, niedergedrückt worden. Melitta starrte reglos nach oben.
Und Desideria, wieder ein Mädchen - ein kleines, zartes Mädchen mit rotem Haar und bleichem Gesicht - stand zitternd im Kreis der sterbenden Flammen, Kleid und Haar unversehrt. Mit letzter Kraft machte sie eine Geste, und das Feuer flackerte und ging aus. Sie steckte den blauen Stein in den Halsausschnitt. Dann fiel sie bewußtlos zu Boden und blieb liegen wie tot.
Über ihnen klafften die gewaltigen Mauern der Burg, und niemand war mehr zu ihrer Verteidigung da als die Sterbenden.
15
Die Schmiedeleute hoben Desideria voller Ehrfurcht auf und trugen sie durch die Bresche in den Burghof. Mit Barron hätten sie es ebenso gemacht, wenn er es sich hätte gefallen lassen. Er ging zu Melitta, die blaß und mit weichen Knien dastand. Das Schmiedevolk entledigte sich der Toten auf einfache Weise, indem es sie in den tiefen Abgrund warf. Nach einer Weile bezeichnete das Kreisen der Kyorebni , der Raben und Lämmergeier Darkovers, ihre Ruhestätte. In ihrer Begeisterung hätten die kleinen Leute die Verwundeten und Sterbenden hinterhergeworfen, aber Barron hinderte sie daran und staunte, daß sie sein Wort als Gesetz betrachteten. Danach fragte er sich, warum er es getan hatte. Was würde jetzt mit diesen Räubern geschehen? Gefängnisse gab es auf Darkover nicht, abgesehen von einer Arrestzelle in der Handelsstadt, in die man Streithähne und randalierende Betrunkene zum Abkühlen steckte. Gewaltverbrecher starben
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