Darkover 18 - Hasturs Erbe
Regis, du bist ja völlig durchnäßt!«
Zum ersten Male wurde sich Regis der Wärme vom Kamin her bewußt, der Wandbehänge, die die Zugluft abhielten, des Wohlbehagens nach den eiskalten, zugigen Fluren. Diese Wärme löste ein Zittern bei ihm aus, doch er zwang sich zu den Worten: »Die Wachen. Du bist also in Wirklichkeit ein Gefangener, oder?«
»Sie sagen, sie würden mich hier beschützen. Aber sie sind freundlich. Komm, setz dich her, laß mich dir die Stiefel ausziehen. Du bist ja völlig unterkühlt.«
Regis ließ sich zu einem Lehnstuhl führen, der so altertümlich konstruiert war, daß er erst beim Niedersetzen merkte, um was es sich eigentlich handelte. Taub und eiskalt streifte er die Stiefel ab. Er war fast schon zu erschöpft, aufrecht zu sitzen und die Tunika aufzuschnüren. Seine Hände hingen schlaff an den Seiten herab; die Beine hatte er ausgestreckt, und schließlich gelang es ihm unter Mühen, die steifen Finger zu den Verschlüssen der Tunika zu heben. Er wußte, daß seine Stimme ungeduldiger klang, als er beabsichtigte.
»Ich komme schon allein zurecht, Dani. Du bist mein Waffenbruder, nicht mein Leibdiener.«
Danilo kniete vor dem Feuer und versuchte, Regis' Stiefel zu trocknen. Er sprang auf, als habe man ihn gestochen, und sagte ins Feuer hinein: »Lord Regis, es ist mir eine Ehre, Euch in jeder nur erdenklichen Weise zu Diensten zu sein.« Hinter der steifen Förmlichkeit seiner Worte fühlte Regis etwas anderes. Er war nun wieder bei vollem Bewußtsein und vernahm den wortlosen Nachhall von Verzweiflung. Er hat es gar nicht so gemeint, als er meine Dienste akzeptierte… es war… es war nur eine Geste, um die Untat seines Stammesbruders wiedergutzumachen…
Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, sprang Regis aus dem Stuhl auf und kniete sich neben Dani vor das Feuer. Seine Stimme bebte, teils vor Kälte, die ihn in Schüttelkrämpfen fast zu zerreißen drohte, teils aufgrund der intensiven Wahrnehmung von Danis Verletztheit.
»Die Götter wissen, ich habe es so gemeint! Es ist nur… nur… « Plötzlich wußte er, was er sagen wollte. »Erinnerst du dich an das Theater, als ich in der Baracke von jedem erwartet habe, daß er mich bedient?«
Ihre Blicke trafen sich und versenkten sich ineinander. Regis hatte keine Ahnung, ob es nun seine Gedanken waren oder die des anderen: Wir waren da noch Jungen… Und jetzt… wie lange das schon her ist! Und doch war es erst im letzten Jahr! Regis schien es, als blickten sie zurück wie erwachsene Männer, die auf einen langen Zeitraum, eine gemeinsam verbrachte Kindheit, zurücksehen. Wo war sie geblieben?
Mit einem Gefühl, als müsse er eine unglaubliche Erschöpfung bekämpfen, - ihm schien es, als müsse er dies schon seit undenkbaren Zeiten tun -, griff er nach Danilos Hand. Sie fühlte sich hart, schwielig und real an, der einzige, feste Fixpunkt in einem treibenden, sich auflösenden Universum. Einen Augenblick lang dachte er, seine Hand greife durch Danilo hindurch, als seien sie beide nicht wirklich. Er zwinkerte, um seinen Blick zentrieren zu können, und sah vor sich eine von blauem Licht umschimmerte Gestalt. Er konnte durch Danilo hindurch die dahinterliegende Wand sehen. Er versuchte, sich auf die fliegenden Funken des Feuers zu konzentrieren und erinnerte sich an Javannes Warnung: Kämpfe dagegen an, bewege dich, sprich . Er mühte sich, seine Stimme wiederzuerlangen.
»Vergib mir, Dani. Wer sollte mir wohl sonst dienen, wenn nicht mein verschworener Freund?«
Und während er dies sagte, fühlte er mit Erstaunen die Struktur von Danilos Erleichterung. Meine Leute haben schon seit Generationen den Hasturs gedient. Jetzt bin auch ich auf dem Platz, wo ich hingehöre.
Nein. Ich will niemanden beherrschen… !
Doch die rasche Ablehnung wurde von beiden nicht als persönliche Zurückweisung verstanden, sondern als wirkliche Verkörperung dessen, was sie beide waren, so daß die Hinwendung Danilos das Vergnügen und die Erleichterung bedeutete, die sie war, und Regis wußte, er durfte nicht nur diesen Dienst annehmen, sondern ihn auch dankbar und freudig akzeptieren.
Danilos Gesicht sah plötzlich sonderbar und ängstlich aus. Er bewegte die Lippen, doch Regis konnte ihn nicht hören. Körperlos schwamm er in der funkelnden Dunkelheit. Er hörte sein eigenes Flüstern: »Ich bin… in deinen Händen… « Dann entglitten ihm auch diese Worte, und er brach in
Weitere Kostenlose Bücher