Darkover 20 - Das Schwet des Aldones
überkommt.
Linnell würde sterben!
»Lew, was ist los?«
Ich blinzelte. Schon verblaßte die Überzeugung, die mich bei diesem Übelkeit erregenden Schritt abseits des Zeitpfades erfüllt hatte.
Die Verwirrung, die Ahnung von einer Tragödie blieben. Als ich wieder aufblickte, war der Vorhang zusammengefallen und Linnell verschwunden.
Draußen fiel ein feiner, dünner Regen. Die Lichter der Altstadt waren verlöscht; dunkel lag sie im Windschutz der Felsen. Aber weiter draußen, in der Terranischen Zone streiften die Neonlampen den Nachthimmel mit grellen Farben in einem nassen Orange und Rot und Grün. Ich blickte über die niedrige Mauer.
»Heute nacht wäre ich gern da unten«, sagte ich müde. »Oder sonst irgendwo, nur weit weg von dieser Höllenburg.«
»Sogar in der Terranischen Zone?«
»Sogar in der Terranischen Zone.«
»Warum gehst du dann nicht hin? Niemand hält dich hier fest, wenn du lieber dort sein möchtest.«
Ich drehte mich zu Callina um. Der Wind hob ihren Spinnweb-Mantel wie Flügel, das Haar flatterte ihr wie feiner Gischt ums Gesicht. Ich wandte den fernen Lichtern den Rücken und zog sie an meine Brust. Erst stemmte sie sich gegen mich, dann plötzlich umklammerte sie mich wild, ihre Lippen zitterten unter meinen, ihre Arme faßten mich mit verzweifelter Angst. Als wir uns voneinander lösten, bebte sie wie ein junges Blatt.
»Was nun, Lew? Was nun?«
Ich wies mit einer heftigen Geste auf die Neonlampen. »Die Terranische Zone! Stellen wir den Comyn vor vollendete Tatsachen! Soll er sich doch für sein Spiel eine andere Marionette suchen!«
Langsam verblich der Funke in ihren Augen. Sie hob die Hand gegen die ferne Bergkette, und wieder hatte ich die Illusion: Dünner weißer Rauch, unirdische Flammen…
»Sharras Feuer brennt immer noch dort, Lew. Du bist ebensowenig frei wie ich.«
Ich legte den Arm um sie. Langsam kam ich wieder zur Vernunft. Der Regen schlug uns eiskalt in die Gesichter. Wir machten kehrt und gingen schweigend auf die dunkle Masse des Turms zu.
Der Wind, dessen Bahn durch die Mauerecken der Burg gebrochen wurde, bewarf uns mit kleinen Regengüssen. Wir durchschritten ummauerte Höfe und Säulengänge, und schließlich standen wir vor einem dunklen Bogen. Callina zog mich vorwärts, und ein Schacht stieg nach oben.
Asharas Turm - so erzählt man sich - wurde für die erste Bewahrerin gebaut, als Thendara nicht mehr als eine Reihe von Lehmhütten war, die sich unter dem Nevarsin-Gipfel zusammendrängten. Er gehört noch zu der merkwürdigen Zeit, bevor unsere Welt von Erdbeben erschüttert wurde und die vier Monde von sich schleuderte. Der Geruch von Jahrhunderten hing zwischen den muffigen Wänden und wehte uns mit den Schatten an, die an uns vorbeiglitten und in Dunkelheit verschwanden. Höher und höher ging es. Endlich hielt der Schacht. Wir standen vor einer geschliffenen Glastür. Nicht vor einem Vorhang oder einer Lichtwand. Einer Tür.
Wir traten in Bläue. Das Licht wurde auf so unheimliche Weise reflektiert und zerlegt, daß der Raum keine Dimensionen zu haben schien; er war gleichzeitig ungeheuer groß und eng. Ein blaues Flimmern lag in der Luft und unter unsern Füßen; es war, als schwämmen wir in blauem Wasser oder bewegten uns durch das Feuer eines blauen Edelsteins.
»Kommt her«, erklang eine Stimme, klar wie Winterwasser unter dem Eis. »Ich warte auf euch.«
Erst jetzt hatten sich meine Augen genügend an das frostige Licht gewöhnt, daß ich einen großen Thron aus geschliffenem Glas und darauf die Gestalt einer Frau erkannte. Fast so klein wie ein Kind, hielt sie sich sehr aufrecht, und ihr Gewand absorbierte und spiegelte das Licht so, daß sie transparent wirkte.
»Ashara«, flüsterte ich und neigte den Kopf vor der Zauberin des Comyn.
Ihre blassen Züge, so frei von Falten wie Callinas, waren von einer fast fleischlosen Reinheit. Und trotzdem waren sie alt, so alt, daß die Hand der Zeit die Furchen wieder geglättet hatte. Auch die Augen, lang und groß, waren farblos, obwohl sie in normalem Licht blau sein mochten. Zwischen den beiden Bewahrerinnen bestand eine undefinierbare Ähnlichkeit, als sei Ashara ein stilisiertes Porträt von Callina oder Callina eine embryonale Ashara, die eines Tages zu dem werden würde, was Ashara jetzt war.
Langsam glaubte ich wirklich, daß sie unsterblich war, wie man flüsterte, daß sie schon vor
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