Darkover 21 - Sharras Exil
Kilghardbergen, wo ich zu Hause war, nach den langen Schatten im Abendlicht, der Sonne, die hinter den hohen Bäumen jenseits des Großen Hauses versank… Das konnte ich immer noch haben, konnte es zusammen mit Dio haben…
Die langen Tische waren mit allen Delikatessen beladen, die man sich nur vorzustellen vermag. Ich füllte für Dio und mich Becher mit einem süßen roten Fruchtgetränk; als ich es kostete, entdeckte ich, dass es mit einem sehr starken, farblosen Schnaps angereichert war, denn ein einziges Glas machte mich schwindelig. Dio beobachtete mich, wie ich trank, stellte ihren Becher unberührt hin und sagte: »Ich möchte heute Abend nicht betrunken werden. Da ist etwas - ich weiß nicht, was es ist. Ich habe Angst.«
Ich nahm das ernst. Dio verfügte über einen sicheren Instinkt, und sie war eine der hypersensitiven Ridenows. Trotzdem fragte ich: »Was stimmt denn nicht? Stört es dich, dass Terraner und andere Außenweltler hier sind?« Lawton war mit mehreren Funktionären aus dem terranischen HQ hier anwesend, und plötzlich schoss es mir durch den Kopf: Würde Kathie, wenn sie die terranischen Uniformen erblickte, die Männer um Schutz bitten und uns der Entführung oder eines noch schlimmeren Verbrechens anklagen? Die meisten Terraner wussten gar nichts über die Matrix-Technologie, und einige waren bereit, in dem Zusammenhang alles zu glauben. Und ich war ganz sicher, dass das, was Callina und ich getan hatten, heute gegen dieses oder jenes Gesetz verstieß.
Dio stand in leichtem Rapport mit mir, und sie fragte schroff: »Kannst du Callina nicht für eine Minute aus deinen Gedanken verbannen, solange du mit mir sprichst?« Ich konnte es kaum glauben - Dio war eifersüchtig? »Macht es dir etwas aus, Preciosa? «
»Es sollte mir gleichgültig sein, aber das ist es nicht.« Ihr Gesicht wurde plötzlich ernst. »Ich glaube, es würde mir nichts ausmachen, wenn… wenn sie dich liebte… aber ich will nicht, dass du verletzt wirst. Ich glaube nicht, dass du alles über Callina weißt.«
»Und du weißt es natürlich?«
Dio erklärte: »Ich war es, die in den Comyn-Turm gehen sollte, um als Asharas… Surrogat ausgebildet zu werden. Ich wollte aber keine Marionette Asharas sein. Ich hatte eine der… eine ihrer anderen Unter-Bewahrerinnen kennen gelernt. Und so sorgte ich dafür, dass ich… « - sie zögerte und errötete ein bisschen - »… disqualifiziert wurde.«
Ich verstand. Es wird heute nicht mehr gefordert, dass eine Bewahrerin Jungfräulichkeit gelobt, abgesondert und den Menschen fast wie eine Göttin fern lebt. Aus guten Gründen bleiben sie ohne Mann, solange sie als Bewahrerin in einem Kreis arbeiten, das aber nicht in der alten, abergläubischen, rituellen Art. Es hat einmal eine Zeit gegeben, als eine zur Bewahrerin erwählte Frau zu lebenslänglicher Keuschheit und Einsamkeit verurteilt wurde; das ist heute anders. Aber aus irgendeinem Grund suchte sich Ashara ihre Unter-Bewahrerinnen nur unter denen aus, die ihre Ausbildung als Jungfrau beendeten, und Dios Methode, dem Urteilsspruch zu entgehen, war so gut wie jede andere gewesen.
Jetzt war mir klar, warum Callina mich zurückgestoßen hatte. Die Heirat mit Beltran würde eine leere Zeremonie aus politischen Gründen sein; Callina hatte nicht die Absicht, ihren Posten als Bewahrerin und Asharas Stellvertreterin aufzugeben. Ich hätte mich geschmeichelt fühlen sollen - sie war sich genau bewusst, dass ich diese Art der Trennung nicht hinnehmen würde. Ich war ihr nicht gleichgültig, und sie hatte es mich wissen lassen. Und deshalb wagte sie nicht, mich ihr näher kommen zu lassen.
Eine umso größere Torheit war es, die mir verbotene Frau zu lieben. Doch der Gedanke, sie könne Beltran in die Hände fallen, ängstigte mich. Würde er sich wirklich mit einer Scheinehe zufrieden geben, in der er dem Namen nach ihr Gatte war und sonst keine Rechte hatte? Callina war eine schöne Frau und Beltran nicht gleichgültig…
»Lew, du bist so weit von mir entfernt, als seist du wieder auf Vainwal«, bemerkte Dio gereizt und griff nach dem Fruchtgetränk, das ich für sie eingegossen hatte. Ich betrachtete sie und fragte mich, was als Nächstes kommen würde. Welch ein Dummkopf war ich, dass ich auch nur für einen Augenblick an Callina dachte, die mir verboten war, die sich selbst aus meiner Reichweite entfernt hatte… Ob sie Bewahrerin war oder nicht, als Beltrans Frau war sie unantastbar
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