Darkover 21 - Sharras Exil
für mich. Ich war geschworener Comyn, und man hatte ihm die Comyn-Immunität gewährt. Das war eine Tatsache, und ich konnte weder über sie hinwegklettern noch sie umgehen. Und diese Sache mit Dio stellte sich zwischen mich und jedes Leben, das ich mir aufbauen mochte. Die Einsicht, dass es nicht an mir war, zu sagen, ich will diese oder jene Frau, sondern dass es darauf ankam, welche von beiden mich haben wollte, war demütigend. Ich schien gar keine Stimme zu haben, und so oder so war ich für eine Frau kein Hauptgewinn. Verstümmelt, verdammt, von Geistern verfolgt… Ich bezwang das scheußliche Selbstmitleid und sah Dio an.
»Ich darf nicht unhöflich gegen meine Pflegeschwester sein - willst du mit mir kommen?«
Dio meinte schulterzuckend: »Warum nicht?«, und folgte mir. Ein halb telepathisches quälendes Unbehagen überfiel mich. Ich sah Callina mit Beltran tanzen und wandte den Blick entschlossen ab. Sollte sie ihren Willen haben! Aus purer Bosheit hoffte ich, er werde versuchen, sie zu küssen. Lerrys? Dyan? Wenn sie hier waren, dann bis zur Unkenntlichkeit kostümiert. Die halbe terranische Kolonie konnte heute Abend hier sein, ohne dass ich etwas merkte.
Aber Linnell tanzte mit jemandem, den ich nicht erkannte, und ich wandte mich der Ecke zu, wo Merryl Aillard und Derik müßig miteinander plauderten. Derik sah erhitzt aus, und er lallte mit schwerer Zunge: »‘n Abend, Lew.«
»Derik, hast du Regis Hastur gesehen? Was für ein Kostüm trägt er?«
»Weisch nich«, murmelte Derik. »Ich bin Derik, mehr weiß ich nicht. Is schwer genug, mir zu merken. Muttu mal versuchen.«
»Ein schönes Schauspiel«, brummte ich. »Derik, ich wünschte, du würdest dich erinnern, wer du bist! Merryl, kannst du ihn nicht wegbringen und ein bisschen ernüchtern? Derik, weißt du denn gar nicht, welches Spektakel du den Terranern und unsern Verwandten bietest?«
»Gehtich nichs an, wassich tu - bin nich betrunken.«
»Linnell muss sehr stolz auf dich sein!«, fuhr ich ihn an. »Merryl, kannst du ihn nicht unter eine kalte Dusche stellen oder so etwas?«
»Linnell is mir böse«, jammerte Derik wehleidig. »Will nich mal mit mir tanschen… «
»Wer hätte dazu wohl Lust?«, knurrte ich und stellte mich fest auf beide Füße, um der Versuchung, ihn zu treten, nicht zu unterliegen. Es war schlimm genug, dass wir in Zeiten wie diesen eine Regentschaft brauchten, aber wenn der designierte Thronerbe sich vor halb Thendara als Betrunkener zur Schau stellte, war das schlimmer. Ich entschloss mich, Hastur aufzuspüren. Er hatte die Autorität, die mir fehlte, und Einfluss auf Derik - wenigstens hoffte ich das. Merryl hatte zwar Einfluss auf ihn, war jedoch keine Hilfe. Ich musterte das Durcheinander von Kostümen und hielt Ausschau nach Danvan Hastur oder zumindest Regis. Vielleicht konnte ich auch Linnell finden, und ihr mochte es gelingen, ihn zu überreden, dass er den Saal verließ und sich ausnüchterte.
Plötzlich erregte ein bestimmtes Kostüm meine Aufmerksamkeit. Ich hatte solche Harlekins in alten Büchern auf Terra gesehen; bunt scheckig, geschnäbelter Hut über einem maskierten Gesicht, mager und irgendwie scheußlich. Doch lag das nicht an dem Kostüm, denn das war höchstens grotesk. Es war eine Art Aura… Unsinn, das bildete ich mir sicher nur ein.
»Nein - mir gefällt er auch nicht«, sagte Regis leise neben mir. »Ebenso wenig wie die Atmosphäre dieses Saals - und dieser Nacht.«
»Ich muss immerzu denken, dass ich ihn schon einmal gesehen habe«, antwortete ich, und dann entfuhr es mir: »Ich habe das Gefühl, als wolle die ganze Hölle losbrechen!«
Regis nickte ernst. »Du hast ein bisschen von der Aldaran-Gabe, nicht wahr? Die Vorausschau… « Er bemerkte Dio an meiner Seite und verbeugte sich vor ihr. »Ich grüße Euch, vai domna . Ihr seid Lerrys’ Schwester, nicht wahr?«
Von neuem betrachtete ich den Mann im Harlekin-Kostüm. Ich musste ihn kennen, mir war, als läge mir sein Name auf der Zunge. Gleichzeitig empfand ich eine merkwürdige, ziehende Angst. Warum erinnerte ich mich nicht, warum erkannte ich ihn nicht?
Aber noch bevor ich mein Gedächtnis weiter durchforschen konnte, gingen die Lichter an der Kuppeldecke aus. Sofort wurde der Saal von Mondschein überflutet. Ein leises »Aaah… « kam von den dicht bei dicht stehenden Gästen, als sie durch die transparente Decke die vier Monde in voller Konjunktion
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