Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
es nicht so vor, als wollte sie uns testen«, sage ich.
»Welcher Sinn sollte sonst dahinter stecken?«
Die nächste Zahl wird von einem wütenden Hustenanfall in der Reihe hinter uns unterbrochen.
»Vielleicht hat sie sich die Frage tatsächlich gestellt«, sage ich. »Ob wir aufhören sollten.«
Amanda lacht. »Das kann ich mir kaum vorstellen.« Dann fragt sie: »Wie geht es mit dem Geschenk voran?«
Ich nicke nur.
»Lädst du ihn zu uns ein?«
»Ich bezweifle, dass er kommen würde.«
»Also holst du ihn ab?«
Ich nicke wieder. Und Amanda lehnt sich nach vorne und tippt Meredith auf die Schulter. »Dorothy hat bald Geburtstag, nächsten Sonntag. Weißt du etwas darüber?«
Meredith verdreht die Augen. Sie und Dorothy mögen sich nicht besonders. »Ich glaube nicht.«
»Kate muss nämlich das Geschenk besorgen. Kannst du nicht mal nachschauen, ob auch alles klappt?«
»Lass, Amanda, das ist wirklich nicht nötig«, sage ich, doch da sagt Meredith bereits: »Ihr wollt also, dass ich die Karten befrage.« Sie grinst.
»Das wäre uns eine große Hilfe«, sagt Amanda.
»Ist ein bisschen kurzfristig, aber ich werde sehen, was ich machen kann.« Meredith sieht mich an. »Gleich hier?«, fragt sie.
»Dann haben wir es hinter uns«, sage ich und strecke meine rechte Hand aus. Meredith’ Hand umschließt meine, sie ist warm und weich, dann ein kurzes Pieksen, ein Tropfen Blut, und Meredith gibt meine Hand wieder frei. »Ich melde mich bei dir, sobald ich etwas weiß«, sagt sie.
Kurz darauf tönt die »39« durch den Saal. Noch bevor die Zahl verhallt ist, springt Meredith auf: »Bingo!« Sie strahlt und hält ihre Karte in die Höhe.
Meredith Young gewinnt immer. Sie spielt nicht häufig, aber wenn sie spielt, dann gewinnt sie auch. Das sei der ganze Trick, sagt sie. Nur dann zu spielen, wenn man weiß, dass man gewinnt.
Ich sage Lucy, dass ich später noch etwas von der Reinigung abholen müsse. Sie stellt keine Fragen, sie lächelt mich nur glücklich an. Seit ich Rob die täglichen Botengänge zu ›Asport Industries‹ übertragen habe, lächelt sie eigentlich nur noch. Und ich lächele ebenfalls beim Gedanken daran, dass Rob tatsächlich einmal den falschen Etagenknopf erwischen könnte.
Ward kommt wieder gegen Abend. Nachdem er den Drugstore verlassen hat, ziehe ich meine Jacke über, binde meinen Schal um und trete hinaus auf die Straße. Er geht schnell, die Schultern hochgezogen. Ich folge ihm auf der anderen Straßenseite. Ab und an dreht er sich um, aber es ist dunkel, und ich halte ausreichend Abstand. Ecke Congress Street biegt er nach Süden, Richtung Carget. Kurz darauf verlässt er die Hauptstraße und ich bin gezwungen, den Abstand zu verringern. Wir verlassen das Zentrum, die Gebäude werden niedriger, die Fassaden rücken enger zusammen. Eine Viertelstunde später bin ich mir sicher, sein Ziel zu kennen und halte ein Taxi an. An der Haywood Street angekommen, bezahle ich den Fahrer.
»Stimmt so«, sage ich.
Er sieht in den Rückspiegel und fragt: »Sind Sie sicher?«
Ich weiß nicht, ob er das Trinkgeld oder die Adresse meint.
»Mein Neffe wohnt hier«, sage ich aufs Geratewohl und notiere mir in Gedanken, mich nächstes Mal angemessener zu kleiden.
Auf der anderen Straßenseite stehen die Haywood Projects. Gelb gepunktete Mauern vor schwarzem Nachthimmel, sechs Stockwerke hoch, an die 100 Yards breit. Insgesamt gibt es vier dieser Mietregale. Aus der Luft betrachtet bilden sie ein Rechteck, das habe ich mal in den Nachrichten gesehen.
Unschlüssig gehe ich die Straße hinunter, bis ich an der Ecke eine Leuchtreklame entdecke: ›Samy’s Bar‹. Die Decke ist niedrig, die Luft stickig, eine Handvoll Männer sitzen am Tresen. Ich wähle einen Platz am Fenster. Die Bedienung, ein großer, dürrer Junge mit Akne im Gesicht, kommt an meinen Tisch, und ich bestelle einen Tee.
Das sauber gefaltete Blatt mit dem Briefkopf des Büros des Bürgermeisters bleibt in meiner Handtasche. Ich errege zu viel Aufmerksamkeit, ich fühle mich beobachtet. Außerdem weiß ich, was auf dem Ausdruck steht, ich habe ihn oft genug gelesen. Patrick Ward, geboren in Boston, Massachusetts, aufgewachsen im ›Simon West‹-Waisenhaus in Mayfield. Wohnhaft in der Haywood Street Nummer 14, Apartment 432.
Kurz nachdem der Akne-Junge den Tee gebracht hat, nähert sich eine kleine Gestalt mit schnellen Schritten einem der Hauseingänge. Zwei Minuten später erstrahlt Apartment 432 im Flackerlicht eines
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