Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
Hände – sie sind knochentrocken. »Was gedenken Sie jetzt zu tun, Mr. Ward?«
»Diese Frau …«, beginnt er.
Ich denke an den schreienden Zwerg und frage: »Sie heißt nicht zufälligerweise Sophia?«
»Sie hat mir geraten, Sie zu töten«, sagt Ward. »Das sei die einzige Lösung, hat sie gesagt. Andernfalls würden Sie mich töten.«
»Das ist völliger Unsinn! Bitte, Sie müssen mir glauben. Ich bin hier, um Ihnen zu helfen.« Ich denke an die 63 Punkte. »Außerdem … Sie sind kein Mörder. Sie werden mich nicht töten. Das wissen Sie genauso gut wie ich.« Er schweigt. »Sind Sie noch da?«
»Wissen Sie, was ich jetzt mache? Ich rufe die Polizei!«
»Davon würde ich Ihnen abraten«, sage ich. »In Ihrem eigenen Interesse. Überlegen Sie doch bitte, was die Polizei hier vorfinden würde: eine nette alte Dame, die im Wohnzimmer eines Heroinabhängigen eingesperrt wurde.«
»Sie sind bei mir eingebrochen!«
»Sie könnten mich genauso gut entführt haben.« Ich mache eine kurze Pause. »Glauben Sie mir, Mr. Ward, die Polizei zu rufen, wäre ein großer Fehler. Wenn Sie mich jetzt gehen lassen, wird Ihnen nichts passieren. Das verspreche ich.« Er antwortet nicht. »Ich kann mich auch ans Fenster stellen und um Hilfe schreien. Irgendwann wird schon jemand reagieren.«
Wieder das metallische Schaben, dann öffnet sich die Tür. Ward sieht mich unsicher an. Ich trete in den Flur. Er weicht zurück. »Lassen Sie mich einfach nur in Ruhe«, sagt er. »Bitte …«
»In Ordnung«, sage ich. »Ich gehe jetzt.«
Er nickt … und begeht den Fehler, der unser beider Schicksal besiegelt: Er wendet sich ab. Meine Augen sehen auf der kleinen Kommode den Briefbeschwerer, einen Miniaturglobus. Meine Hand greift danach, umschließt das kalte Messing, mein Arm holt aus. Ich treffe Ward seitlich am Kopf, irgendwo zwischen Ohr und Auge. Sein Körper sackt in sich zusammen, schlägt auf dem Teppich auf, bleibt regungslos liegen. Die Messingkugel entgleitet meiner Hand. Ich drehe Ward auf den Rücken. Er atmet. Von der linken Augenbraue läuft etwas Blut Richtung Ohr.
Ich gehe ins Badezimmer, durchsuche die Schränke, finde schließlich eine Mullbinde. Ich gehe in die Küche, öffne den Kühlschrank und hole drei Flaschen Bier heraus. Dann mache ich mich an die Arbeit.
»Danke, dass Sie so schnell gekommen sind«, sage ich und umfasse Wards Körper und schleife ihn zur Straße. Er ist leichter, als ich dachte.
»Was ist passiert?« Jeff kommt mir entgegen. Dann riecht er es. »Verdammte Sauferei!«
»Es ist ein Jammer«, sage ich. »Es bricht mir das Herz, ihn so zu sehen.«
»Warten Sie! Ich mach das schon.« Jeff nimmt mir den biergetränkten Körper ab und schultert ihn. Gemeinsam gehen wir zum Taxi und verstauen Ward auf der Rückbank.
»Ist er gestürzt?«
»Ja.«
»Soll ich Sie zum Krankenhaus fahren?«
»Nein«, sage ich. »Nein, das … das können wir uns nicht leisten. Ich nehme ihn mit zu mir. Soll er sich erst mal ausschlafen.«
Jeff nickt und startet den Motor. Ich nenne ihm Dorothys Adresse. »Er muss hier weg«, sage ich und schaue nach draußen. »Sonst schafft er es nie.«
»Ist schwer, von der Flasche loszukommen«, sagt Jeff. »Verdammte Sauferei …!« Dann fährt er los.
Ich schlafe nur wenig in dieser Nacht. Ruhelos wälze ich mich im Bett hin und her. Es ist geschafft, alles ist an seinem Platz. Trotzdem verspüre ich keine Erleichterung, keine Genugtuung. Die Anspannung bleibt. Als es hell wird, stehe ich auf und koche Kaffee. Es ist Sonntag, Dorothys Geburtstag.
Wir sind zu dritt an diesem Abend. Sophias Platz bleibt leer. Ich erzähle den anderen nicht, was passiert ist. Ich erzähle ihnen nicht, dass Sophia in dem Glauben war, Ward hätte einen Watson-Index von 83 Punkten. Dass sie versucht hat, mich umzubringen. Ich erzähle es nicht. Es würde nichts ändern.
Dorothys Tochter Camilla kocht für uns. Das Essen ist ausgezeichnet. Als Hauptgang gibt es gebratene Kalbsleber, Dorothys Leibgericht, doch sie rührt es kaum an. Sie rutscht in ihrem Rollstuhl hin und her, kratzt unter dem Tisch an ihren Stümpfen. Ihr Schwiegersohn, Martin Prey, kommt nach Hause. Er bleibt im Türrahmen stehen. Regen tropft von den Rändern seines Mantels. Auf dem Teppich bildet sich eine kleine Pfütze. Verlegen wünscht Martin Dorothy alles Gute zum Geburtstag.
»Danke, mein Junge.« Sie schickt ihn mit einem Kopfnicken weg.
Als der Nachtisch hereingebracht wird, klatscht sie plötzlich in die
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