Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
wir gleich anfangen.«
Die Schwester führte Tom ins Untersuchungszimmer und Dr. Barrett mich in den Nebenraum. Hinter einer verspiegelten Scheibe durfte ich Platz nehmen. Toms Stöhnen ertönte aus einem versteckten Lautsprecher. An der Decke hingen Kameras. Sowohl im Untersuchungszimmer als auch über meinem Kopf. Das Ganze wirkte eher wie der Verhörraum eines Geheimdienstes.
Nach einer Reihe von Fragen, auf die Tom mit den vertrauten Lautäußerungen reagierte, hielt Dr. Barrett zwei Papptafeln in die Höhe. Auf der Tafel in seiner rechten Hand befand sich eine große Vier, auf der Tafel in seiner linken Hand eine kleine Acht.
Der Lautsprecher knackte.
Dr. Barrett »Welche der beiden Zahlen ist größer? Die linke oder die rechte?«
Es war klar, welche Zahl größer war. Ich bezweifelte jedoch, dass Tom verstanden hatte, was Dr. Barrett von ihm wollte. Tom jedoch sah die Pappe mit der großen Vier an. Dr. Barrett hob sie an.
Dr. Barrett »Diese hier? Ist diese Zahl größer?«
Tom gab einen Laut von sich. Dr. Barrett legte die Pappen zur Seite und machte eine Notiz. Offenbar bezog sich Toms Wahrnehmung nicht auf den Zahlenwert, sondern auf die Größe der Darstellung. Tom war erstaunlich ruhig. Der Teppich und die Wände schienen seine Aufmerksamkeit zu fesseln.
Dr. Barrett griff zu einem Stapel mit Tafeln, die etwas dicker und nicht aus Pappe waren. Er hob die erste an, drehte sie jedoch noch nicht um, sondern balancierte sie mit den Fingerspitzen. Dann geschah etwas Merkwürdiges. Ich sah, wie Dr. Barrett die Lippen bewegte, hörte jedoch nichts. Tom hob den Kopf. In diesem Moment drehte Dr. Barrett die Tafel. Wirre Linien und schimmernde Farbmuster waren zu erkennen. Eine Art Hologramm. Tom erschrak und erstarrte gleichzeitig. Der Ausdruck eines namenlosen Entsetzens war auf sein Gesicht gemeißelt. In einer eigenartigen Zeitlupe nahm seine Reaktion an Heftigkeit zu, bis sie sich entlud. Er machte einen erstaunlichen Satz rückwärts und floh schreiend in die Zimmerecke. Erst als Dr. Barrett die Tafel wegdrehte, hörte Tom auf zu schreien.
Ich traf Dr. Barrett auf dem Flur vor dem Untersuchungsraum. Er schien genau zu wissen, was mit Tom los war, es mir jedoch aus irgendeinem Grund nicht sagen zu können.
Sarah »Sagen Sie mir die Wahrheit, Dr. Barrett! Können Sie ihn heilen? Wird er wieder so werden, wie vorher?«
Dr. Barrett »Um ehrlich zu sein … ich weiß es nicht, Sarah.«
Sarah »Was hat er? Wie … wie ist er so geworden?«
Dr. Barrett »Ich vermute eine Amnesie als Folge eines Hirnschlags.«
Sarah »Ein Hirnschlag?«
Dr. Barrett »Ich bin mir nicht sicher, aber es wäre möglich. Ein Hirnschlag kann jederzeit passieren. Auf der Fahrt zur Arbeit, beim Einkaufen, im Schlaf. Niemand ist davor sicher … aber für den endgültigen Befund muss ich weitere Tests durchführen. Ich möchte Tom zur Beobachtung hier behalten.«
Obwohl es das war, was ich erwartet hatte, schüttelte ich den Kopf.
Sarah »Ich werde einer Einweisung nicht zustimmen.«
Dr. Barrett »Sarah, denken sie nach …! Was wollen Sie denn mit ihm machen?«
Dr. Barrett ließ die Frage wirken. Er wusste, dass ich keine Antwort hatte.
Dr. Barrett »Lassen Sie Ihrem Freund die beste Hilfe zukommen, die er kriegen kann.«
Ich ließ den Kopf sinken und nickte.
Sarah »Okay.«
Da ging es hin. Toms Stipendium samt seinem Lebenstraum. Als ich vor dem ›Kennedy Medical Center‹ auf die Straße trat, quälte mich mein Gewissen. Hatte ich das Recht, ihn abzuschieben?
Allerdings. Ich hatte das Recht und im Moment auch nicht die Nerven, irgendetwas anderes zu tun.
Ich ging in die Stadtbibliothek und sortierte Bücher in die Regale. Eine beruhigende Beschäftigung und eine wunderbare Ablenkung. Ich sah den Wagen mit den Rückgaben und wusste, wie lange es dauern würde. Es wurden immer dieselben Bücher ausgeliehen. Nachschlagewerke und Reiseliteratur.
Nur Meredith Young, eine exzentrische Stammkundin, lieh sich regelmäßig exotische Titel wie ›Zeitspeicher Wasser‹, oder ›Geheimnisse des Crowley Tarots‹ und ähnliches aus, bei denen ich etwas länger brauchte, um sie zurückzustellen. Trotzdem liebte ich ihre Rückgaben. Durch sie kam ich regelmäßig in Regionen der Bibliothek, die ich zuvor nie betreten hatte.
Martin versuchte, ein anständiger Arbeitskollege zu sein. Der Zufall wollte es, dass wir uns gegen Mittag unter der Empore am selben Regal trafen. Er lächelte, schob die Brille hoch und ›Moby Dick‹
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