Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
macht! Nicht so wie beim letzten Mal.« Er schaut hinaus, hinunter auf die Brackett Street, und ich stehe auf. Als ich zur Tür gehe, fügt er hinzu: »Und wegen Ihres Gesprächs mit Mr. Haywood … ich werde Robert Bescheid sagen, dass Sie den Termin leider nicht wahrnehmen können. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt.« Er dreht sich um. »Einverstanden?«
Es ist Nachmittag, und wir gehen die Neal Street hinunter. Ein leichter Wind sorgt für Abkühlung, doch Terry schnauft und schwitzt; wahrscheinlich wegen der schweren Plattenkamera und der Umhängetasche mit den Holzkassetten. Trotzdem ist Terry bester Laune.
»Beeindruckend«, murmelt er. »Wirklich beeindruckend!«
Nördlich der Carroll Street verändert sich das Straßenbild zusehends. Die Bürgersteige werden breiter, die Gärten größer, die Häuser weichen zurück. Familien flanieren im Schatten der hohen Ahornbäume. Die Neal Street wird zur Allee.
»Wirklich beeindruckend«, sagt er noch einmal.
Ich antworte nicht. Mir ist nicht nach Reden zumute, aber das stört Terry für gewöhnlich nicht. Mit großen Augen tappt er neben mir her. Als sähe er das alles zum ersten Mal.
»Allein diese klassizistischen Eingänge …«, sagt er. »Man könnte fast meinen, man wäre in Boston. Es ist unglaublich, was in der kurzen Zeit geschaffen wurde. Einfach unglaublich. Sehen Sie nur!« Er zeigt auf die andere Straßenseite. »Meinen Sie, dass wir vielleicht …?«
»Gehen Sie ruhig«, sage ich, und Terry trottet über die Straße, ohne sich umzusehen. Es grenzt an ein Wunder, dass er nicht längst von einer Kutsche angefahren wurde.
Als er wieder zurück ist, sage ich: »Ich hoffe, Sie haben genügend Platten dabei.«
»Aber natürlich.« Er lächelt und klopft auf die Umhängetasche. »Jede Menge.«
Zwei Querstraßen später fragt er: »Stimmt es, was man sich in der Redaktion erzählt? Sie haben ein Interview mit Mr. Haywood?«
»Ja«, sage ich. »Aber ich werde nicht hingehen.«
»Warum nicht?«
»Es steckt keine Story darin.«
»Mr. Haywood ist ein bedeutender Mann! Er ist der Erbauer Portervilles!«
Ich antworte nicht.
Terry schüttelt den Kopf.
»Ich verstehe das nicht«, murmelt er. »Beim besten Willen, Samuel, … ich verstehe das einfach nicht.«
Und weil er immer weiter murmelt, bleibe ich schließlich stehen und sage: »Was Ihnen die Leute von sich aus erzählen, ist nichts wert! Das erzählen sie auch jedem anderen, das ist keine Story! Und je mehr Ihnen die Leute freiwillig erzählen, desto weniger Platz bleibt für das Verborgene, für das, worum es eigentlich geht, das, was niemand erfahren soll. So einfach ist das. Und deshalb gehe ich nicht zu Mr. Haywood.«
Dann gehen wir weiter.
Nach einer Weile sagt Terry: »Vielleicht erzählen manche Menschen auch gerade deshalb so viel. Weil sie den Anschein erwecken wollen, es gäbe nichts Verborgenes. Könnte das nicht auch sein?«
»Als Reporter entwickelt man ein Gefühl dafür. Aber das braucht seine Zeit.«
Die Neal Street mündet in einem kleinen Platz. Ein hoher Palisadenzaun begrenzt die Nordseite. Die dichte Hecke dahinter verwehrt sich neugieriger Blicke, doch die Lettern über dem schmiedeeisernen Tor verkünden: St. Helena Park.
Die Hitze empfängt uns mit klebrigen Fingern. Kein Windzug dringt durch die verwachsenen Dornensträucher. Die Luft scheint stillzustehen. Schweiß sammelt sich in meinem Haaransatz. Terry zerfließt regelrecht.
»Wie im Dampfbad«, japst er und wischt sich mit dem Taschentuch übers Gesicht.
Vor uns schlängeln sich Kieswege träge über gestutzte Wiesen. Ab und an entlang eines Weges Blumenbeete und kleine Baumgruppen, in deren Schatten Bänke stehen. Etwas entfernt eine leichte Steigung und weiter oben ein Teich mit einem Springbrunnen. Hinter dem Teich erneut eine dichte Hecke, nur unterbrochen durch einen schmalen Durchlass: dem Eingang zum Labyrinth. Und darüber, alles überragend, die Statue der St. Helena – tanzend im Hitzeflirren der Wasserfontäne.
Terry stellt das Stativ auf, beginnt zu fotografieren. Ich weise ihn mit knappen Worten auf einige geeignete Motive hin. Dann lasse ich ihn allein.
Familien kommen mir entgegen, Kinder in Matrosenanzügen laufen an mir vorbei. Die Damen tragen Sonnenschirme und weiße Kleider, die Männer helle Anzüge und Hüte, wie Plantagenbesitzer. Sie schauen mich an, ich nicke ihnen freundlich zu, doch sie reagieren nicht. Sie schauen nur. Und plötzlich fühle ich mich sehr unwohl.
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