Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
Mann – groß, breite Schultern – trat in den Flur. Selbst aus der Entfernung sah sein Gesicht Furcht einflößend aus. Als er zum Spurt ansetzte, flatterte sein langer Mantel hinter ihm wie eine Fahne im Wind.
Christine stieß einen hellen Kiekser aus. Die Fahrstuhltür des Lastenaufzugs öffnete sich lautlos. Ich schubste sie in die Kabine. Die Tür schloss sich, und noch ehe wir in die Tiefe sausten, schlug eine Faust von außen gegen das Metall.
»Was ...?«, schrie Christine.
»Nicht jetzt!«, brachte ich sie barsch zum Schweigen. »Du tust genau, was ich dir sage. Bleib direkt hinter mir!«
Der Wachmann im Foyer konnte bei unserer Ankunft noch nicht informiert gewesen sein, sonst hätte er uns aufgehalten oder zumindest in der Kanzlei über unser Kommen Bescheid gegeben.
Jetzt aber war er mit Sicherheit auf dem Laufenden! Dazu genügte ein Knopfdruck.
Der Aufzug stoppte, die Tür teilte sich und gab den Blick auf den wartenden Wachmann frei. Er hatte sich leicht nach vorn geneigt und die Hände ausgebreitet, als wollte er einen gut gezielten Ball fangen.
Der Schocker steckte noch in seinem Gürtel. Schließlich waren wir für ihn nur zwei Frauen ... leichte Beute.
»Helfen Sie mir ...«, ächzte ich, wankte aus der Kabine und tat so, als würde ich das Gleichgewicht verlieren. Die Haltung des Wachmanns veränderte sich, er streckte mir die Arme entgegen, um mich aufzufangen.
Ich hatte meine linke Faust hinter dem Rücken verborgen gehalten. Jetzt schoss sie mit dem silbernen Stab, der nicht größer war als ein Kugelschreiber, nach vorn und berührte seine Brust. Der Schlag – ich hatte auf volle Wirkung gestellt – ließ ihn nach hinten schnellen, als sei er von einer großkalibrigen Pistolenkugel getroffen worden. Er prallte mit dem Rücken auf dem Boden auf und zuckte wie eine außer Kontrolle geratene Gliederpuppe.
Es gab noch weitere Fahrstühle, die garantiert in diesem Moment auf dem Weg zu uns waren. Es blieben nur Augenblicke. Wir waren im Foyer angekommen.
»Wenn du den Ausgang verriegelt hast, rate ich dir, ihn sofort zu öffnen«, brüllte ich die junge Frau am Empfang an, die jetzt aufrecht und mit zusammengepressten Lippen hinter ihrem Schreibtisch stand. »Oder ich ziehe dir mit dem Ding deinen verdammten Lidschatten nach!«
Ein solches Vokabular hatte ich seit meiner wilden Jugend nicht mehr benutzt.
Alle Farbe wich aus ihrem dezent geschminkten Gesicht, aber sie gehorchte und drückte eine Taste auf ihrer Computertastatur.
Ohne mich umzusehen, hetzte ich mit meiner kleinen Schwester im Schlepp auf die Straße und verlangsamte meine Schritte erst, als wir im Strom der Passanten untergetaucht waren. Ich konnte keine Verfolger entdecken, aber das hatte nichts zu bedeuten. Porterville steckte voller Überwachungstechnik und menschlicher Spitzel. Und Howard K. Brenner gehörte zu ihnen. Hatte er wirklich umgehend die Behörden informiert? Bedeutete ich ihm gar nichts?
Christine klammerte sich verzweifelt an mich und schien überhaupt kein Gewicht mehr zu besitzen.
›Denk nach! Verdammt noch mal! Denk nach!‹ Ich zwang mich zur Ruhe. Wir mussten irgendwo unterkommen, Atem holen und überlegen, wie es weitergeht.
Warum hatte mich der Kellner in den Keller geführt? Wer hatte dort im Dunkeln auf mich gelauert? Und konnte das etwas mit Christines verschwundenem Kind zu tun haben?
Ich sah, wie ein gelber Bus der Verkehrsbetriebe von Porterville eine nahe Haltestelle ansteuerte. Es war mir völlig egal, wohin der Bus fuhr. Wir mussten nur weg von der Straße und in Bewegung bleiben.
Als ich beim Fahrer zwei Tickets lösen wollte, stellte ich fest, dass meine Geldbörse verschwunden war.
»Ich habe Geld«, sagte Christine und nestelte einen 20-Dollar-Schein aus ihrer Hosentasche. »Wir haben es vor der Ankunft in Porterville bekommen.«
Als der Bus anfuhr, waren fast alle Fahrgäste ausgestiegen. Bis auf eine junge Schwarze mit einem höchstens vierjährigen Mädchen auf dem Schoß. Die Kleine hatte eine violette Schleife im Haar. Als wir uns setzten, winkte uns das Mädchen zu, und ich sah Christine zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in Porterville lächeln.
»Wie geht es jetzt weiter?«, fragte sie und wurde sofort wieder ernst. »Wohin fährt der Bus?«
»Kein Bus verlässt die Stadt«, erwiderte ich. »Lass mich einen Moment nachdenken.«
Wäre es nicht besser, wenn wir uns bei den Sicherheitsbehörden melden? Christine hatte unter einer falschen Identität eingecheckt.
Weitere Kostenlose Bücher