Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
Motorrad befindet sich stilecht ein Ölfleck.
Die Hostess beginnt mit ihren Erläuterungen, und ein Tourist legt grinsend beide Hände an den Lenker.
Unter der Decke schwebt ein Jagdflugzeug aus dem Zweiten Weltkrieg. Die Etage ist ein architektonisches Meisterwerk. Von außen betrachtet, fällt es selbst dem aufmerksamsten Beobachter nicht auf, dass sie in Wirklichkeit die Höhe von drei der üblichen Stockwerke einnimmt.
»Da!«, ruft eine der Frauen begeistert aus. »Da will ich hin!« Ohne auf die anderen zu warten, läuft sie zu einer perfekt nachgestellten Marktszene aus dem späten 19. Jahrhundert. An den Ständen werden Backwaren, Früchte und Geflügel feilgeboten. Als sich die Asiatin auf wenige Meter genähert hat, erwachen die Marktfrauen und ihre Kundschaft zu künstlichem Leben und beginnen, gestenreich über die Kaufpreise zu verhandeln. Die Hühner gackern dazu in ihren Käfigen und schlagen mit den Flügeln. Die Hostess nennt dem Begleiter der Frau den Preis für das gewünschte Zusatzticket. Er seufzt vernehmlich.
Ich sause mit der normalen Geschwindigkeit zurück ins Erdgeschoss. Gerade noch rechtzeitig, um zu sehen, wie Howard K. Brenner, der eigentliche Chef der Kanzlei ›Macintosh & Partner‹, das Foyer betritt und zielstrebig auf meinen Aufzug zuhält.
Er macht einen übernächtigten Eindruck und lässt sich auf einen der samtbezogenen Stühle fallen.
»Guten Morgen, Sir«, grüße ich.
Er nickt nur stumm.
Als er in der Etage der Kanzlei aussteigt, wendet er sich noch einmal zu mir um. »Ach ja, heute Abend findet ein Treffen mit Geschäftsfreunden statt.«
»Das geht in Ordnung, Mr. Brenner.«
Er mustert mich. »Schade um Dr. Barrett«, sagt er dann.
»Oh, Sie haben es auch schon erfahren?«
Seine Lippen sind zwei schmale blutleere Striche.
»Selbstverständlich.«
Ein Treffen mit Geschäftsfreunden. Was für eine Umschreibung für eine der ausschweifenden Orgien, die sie da oben ständig veranstalten. Für mich bedeutet das erneut Überstunden, bis sich der Letzte ausgetobt hat.
Jetzt zittert meine Hand. Sie zittert sogar sehr. Es ist zwar erst halb elf, aber ich kann nicht länger warten. Ich greife zu meinem Handy und wähle 2, 7, 0, 3. Nach zwei Sekunden meldet sich eine sehr entspannte Männerstimme. »Wir haben Ihren Anruf bereits erwartet.«
›Sie wissen alles‹, durchfährt es mich. ›Jetzt bloß nicht stottern.‹
»Es geht um meine Tabletten, die ich bisher von Dr. Barrett erhalten habe.«
»Nun ... da gibt es ein kleines Problem, Kip.«
Der Kerl nennt mich Kip! Ich spüre die Wut, will aufbegehren, aber erwidere nur handzahm: »Was für ein Problem?«
»Ihre Antidepressiva wurden von Dr. Barrett in seinem Labor speziell für Sie, mein Bester, hergestellt. Wir werden die Tabletten also erst noch anfertigen lassen müssen.«
»Wie lange dauert das?« Ich klinge mit einem Mal ganz heiser.
»Nicht sehr lange. Wir melden uns dann.« Er legt auf.
Ich rufe die Nummer erneut an, und niemand nimmt ab. Ich schließe die Aufzugtür, obwohl das gegen die Vorschriften ist, will mich auf einen Stuhl setzen, verliere das Gleichgewicht, als sei ich sturzbetrunken, und pralle mit dem Hinterkopf gegen die Lehne. Ich ächze laut auf, aber der Schmerz bringt mich wieder zur Besinnung.
Eine Nebenwirkung. Dr. Barrett sprach mal beiläufig davon. Bei unregelmäßiger Einnahme des Medikaments kann es zu Gleichgewichtsstörungen kommen.
›Das wird eine mächtige Beule geben‹, denke ich.
Ich setze mir die Dienstmütze auf und öffne die Fahrstuhltür. Zwei Obdachlose glotzen mich aus blutunterlaufenen Augen an. Der linke von ihnen, ein Riese mit zerschlagener Nase, kiekst etwas mit einer Stimme, die eher zu einem Vierjährigen passen würde.
Stammkunden. In der Regel problemlos.
»Alles in Ordnung bei Ihnen?«, höre ich Maria vom Empfang fragen.
»Natürlich«, beeile ich mich mit der Antwort. »Alles wie immer.«
Ich bringe die Obdachlosen zur Kanzlei.
Ein Vorfall vor über zehn Jahren löste mein Problem aus und machte mich zum Stammkunden von Dr. Barrett. Ich vermute, dass die nachlassende Wirkung des Medikaments oder zumindest die Furcht, bei Bedarf nicht sofort nach einer neuen Tablette greifen zu können, mich dazu veranlasst, an jenen Tag zu denken. Sonst ist die Sache vergraben unter den kuscheligen Decken des Verdrängens, die mir Dr. Barretts pharmakologische Künste bisher verschafften.
Damals war es einem Jungen gelungen, sich unter eine Touristengruppe
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