Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
worden, nachdem Brad aus dem Koma erwacht war. Zu sehen war ein schmächtiger sommersprossiger Junge mit hellem Stoppelhaar, der aufrecht in einem schneeweißen Bett saß und unsicher in die Kamera blickte. Das Verstörende an dem Bild war jedoch nicht der Junge selbst, sondern die Wand im Hintergrund. Dort hing, gemalt in krakeligen Wachsstiftlinien, das Bild einer riesigen schwarzen Standuhr, aus der zwei weiße Augen herausstarrten. Sofort hatte ich wieder Falkners Worte im Ohr, und schlagartig schnürte sich mir die Kehle zu.
»Er kam aus der Uhr … schreckliche Augen …«
Was auch immer Falkner gesehen hatte, es war real gewesen. Es hatte seinen Geist ausgelöscht, ebenso wie es den Verstand jener vier Menschen geraubt hatte, deren Schicksalen er auf der Spur gewesen war! Und all das hatte irgendwie mit dieser seltsamen Standuhr zu tun. Und einem Ort namens Darkside Park.
Aber was? Und wohin waren all die Anderen verschwunden, die nie wieder aufgetaucht waren? Von dieser Stunde an war mir klar, dass ich alles daran setzen musste, um dieses schreckliche Geheimnis zu lüften.
Ich verständigte noch am selben Abend Sheriff Parker von meiner Entdeckung, und auch Dr. Barrett weihte ich am nächsten Morgen in die neuen Entwicklungen ein. Beide zeigten sich ebenso überrascht wie interessiert an meinen Untersuchungsergebnissen, und in den folgenden Wochen arbeiteten wir drei eng bei der weiteren Recherche zusammen. Hank Parker bildete dabei die zentrale Schaltstelle, die uns Zugang zu sämtlichen relevanten Polizeiprotokollen verschaffte. Darüber hinaus leitete er eine intensive Untersuchung des Waldgebietes im Shaden Forest ein. Dr. Barrett steuerte die historischen und leider zumeist unvollständigen Patientenakten bei, sofern diese noch verfügbar waren. So verging die Zeit in unermüdlichem Forschungseifer, doch der zündende Funke blieb aus. An keinem der Untersuchungsschauplätze ergaben sich Resultate, die uns weiterbrachten. Hank bemerkte, wie sehr mich der ausbleibende Erfolg belastete, und spendete mir, wo er konnte, Rückhalt. Oft saßen wir nach langen Arbeitstagen noch bei einem Bier in ›Corey’s Bar‹, rauchten eine von Parkers grässlichen Zigarren und redeten. Nicht nur über den Fall, sondern manchmal auch einfach schieren Blödsinn, um mal auf andere Gedanken zu kommen. In dieser Zeit lernte ich mehr über klassische Passspiel-Varianten im Football als in meinem gesamten Leben zuvor. Ein ums andere Mal versicherte mir Hank, dass bei unserer Suche nichts unversucht bleiben würde. Und daran konnte wahrhaftig kein Zweifel bestehen. Trotz aller Anstrengungen, unter denen allmählich auch meine Arbeit in der Klinik zu leiden begann – wir kamen nicht weiter. Dr. Barrett entlastete mich zwar, wo er konnte, doch der zwanghafte Wunsch, die Wahrheit erfahren zu müssen, ergriff mehr und mehr von mir Besitz.
Eines Abends machte ich per Zufall eine folgenreiche Entdeckung. Ich saß wie so oft noch zu später Stunde am Wohnzimmertisch und studierte Falkners Unterlagen. Plötzlich sprang mir etwas ins Auge, das ich bislang übersehen hatte: Die Einweisungspapiere der vier wieder aufgetauchten Vermissten aus dem Shaden Forest trugen alle den Stempel des ›Abidias Asylum‹ – eine Nervenheilanstalt im damals noch dünn besiedelten Nordviertel Portervilles. Der Begriff Heilanstalt konnte jedoch nicht verschleiern, dass es sich hier um nichts anderes als ein typisches Irrenhaus des 19. Jahrhunderts gehandelt hatte. Es war nach dem Vorbild des berüchtigten Londoner ›Bedlam Hospital‹ erbaut worden. Keine Anstalt der Pflege oder Heilung, sondern eine hermetisch abgeschottete Verwahrungsstätte für Geisteskranke. Aufgegebene Seelen, aussortiert und weggeschlossen.
Laut der Dokumente hatten alle Zurückgekehrten ihr restliches Leben als Patienten dieser Klinik gefristet. Allerdings musste ich zweimal hinschauen, um mich zu vergewissern, dass ich mich beim Lesen ihrer Todesdaten nicht geirrt hatte. Es bestand jedoch kein Zweifel: Alle Vier waren am selben Tag gestorben - dem 19. Februar 1932. Fieberhaft blätterte ich weiter und fand schließlich die Erklärung in Form eines alten Zeitungsausschnitts. Dieser war hinter einen zusammengefalteten Bucheinband gerutscht und daher meiner bisherigen Suche entgangen. Aus dem Artikel ging hervor, dass das ›Abidias Asylum‹ Anfang des Jahres 1932 aufgrund einschneidender Reformen vor der Schließung stand. In der Nacht, bevor die Patienten in andere
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