Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
behutsam und rubbelte ihn trocken. Tom sagte während der ganzen Zeit kein Wort. Er schien, unter Schock zu stehen oder sich in einer Art Trance zu befinden. Ich verdrängte den Gedanken an die seltsamen Laute, die er von sich gegeben hatte. Er hatte sich nicht die Zunge abgebissen. Auch sonst schien er, unverletzt zu sein. Zumindest äußerlich.
Es war zu früh für Vermutungen. Ich musste warten. Wenn er wieder bei Kräften war, würde er alles erzählen. Dessen war ich mir sicher. Er stand im Moment nur unter Schock. So intensiv ich mir dies auch einredete, so wenig glaubte ich daran. Das seltsame Stöhnen, das er von sich gegeben hatte, erinnerte mich zu sehr an die Ereignisse in der Nervenheilanstalt.
Tom lag neben mir im Bett. Ich konnte nicht schlafen und beobachtete ihn. Er wälzte sich hin und her und wimmerte, als hätte er einen schrecklichen Albtraum, aus dem es kein Erwachen gab. Schließlich zog ich mich auf das Sofa im Wohnzimmer zurück und schloss die Tür. Jetzt konnte ich ihn nicht mehr sehen und hörte ihn nur noch selten. Nun war es die Ungewissheit, die mich nicht schlafen ließ. Was machte er nebenan?
Ich bekam Angst. Dieser Mann, der da nebenan in meiner Wohnung lag, dieser Mann war nicht Tom. Er erinnerte mich an ihn, aber er konnte es nicht sein. Wen zum Teufel hatte ich da in meine Wohnung gelassen? Was, wenn er das Zimmer verließ, sobald ich schlief? Was, wenn er nur darauf wartete? Ich schüttelte mich. Diese Gedanken hatten keinen Platz in meinem Kopf. Mein Herz wusste, dass das nebenan Tom war. Er war zu mir zurückgekommen. Ich würde diese Prüfung bestehen. Ich würde ihm helfen und er würde wieder so wie früher werden. Er würde wieder der alte Tom sein.
Irgendwann schlief ich ein. Ein großer, runder Vollmond schien durch das Fenster in die Wohnung. Ich schlief wie ein Stein und merkte nicht, wie die Tür zum Schlafzimmer sich langsam öffnete und eine ausgemergelte nackte Gestalt zu meinem Sofa schlich. Tom fletschte die Zähne und legte den Kopf schief, als er vorsichtig seinen dünnen Arm und seine langen, knochigen Finger in meine Richtung ausstreckte und meine Haare berührte. Plötzlich ertönte ein seltsamer, alles durchdringender hoher Ton. Seine Frequenz war zu hoch für das menschliche Gehör. Doch Tom nahm sie wahr. Er richtete sich auf wie ein Reh im Unterholz, das die Nähe des Wolfsrudels wittert. Seine Beine begannen zu zittern und das Blut pochte in seinen Schläfen. Wie ein Tier, bereit zur Flucht, machte er einen lautlosen Satz zum Fenster, versteckte sich im Schatten und spähte mit vibrierenden Nasenflügeln zur Straße hinunter.
Dort stand, in der Dunkelheit kaum zu erkennen, der Herr der Obdachlosen. Seine langen, schwarzen Haare bedeckten sein Gesicht und seine Schultern und glänzten im Vollmond. Neben ihm, mit hängender roter Zunge, ein riesiger schwarzer Schäferhund. Zerberus, der Wächter der Unterwelt, muss sein Vater gewesen sein. Seine Augen, brennende Feuerluken in der Nacht, starrten genau wie die des Hünen nach oben … zu Tom. Der Riese hatte eine Hundepfeife zwischen den großen weißen Zähnen, blies hinein und verursachte den hohen, unangenehmen Ton. Der Hund neben ihm blieb ruhig. Tom jedoch presste die Hände auf die Ohren und fiel auf die Knie. Seine Augen traten aus dem Schädel, als würden sie im nächsten Moment platzen. Dann riss er den Mund auf und begann zu schreien, ohne einen Ton von sich zu geben.
Von all dem bekam ich nichts mit. Und selbst wenn ich es gesehen hätte, hätte ich es für einen Albtraum gehalten. Denn genau das war Porterville.
Ein Albtraum, aus dem es kein Erwachen gab.
Das böse Zimmer - Teil 2
von Hendrik Buchna
Kapitel 4 - Band 1
Willst du spielen, spiel’ mit mir,
am Abend und am Tag.
Auf Feld und Wiese und im Wald,
doch nicht im Darkside Park.
Willst du gehen, geh’ mit mir,
gemeinsam sind wir stark.
Zu zweit erobern wir die Welt,
nur nicht den Darkside Park.
Und willst du sterben, stirb’ mit mir,
ich zeig’ dir uns’ren Sarg.
Er wartet offen schon auf uns,
ganz tief im Darkside Park.
Darkside Park – genau diesen Ort hatte Scott damals genannt. Dorthin sei Toby verschwunden. Mitgenommen vom bleichen Mann.
Auf der Rückseite der Pappe war mit einer Büroklammer ein altes Schwarzweißfoto angeheftet. Laut Beschriftung handelte es sich um eine Aufnahme von Brad Mallock, dem kleinen Jungen, der seine Erinnerung verloren hatte. Das Foto war offensichtlich im Krankenhaus gemacht
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