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Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)

Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)

Titel: Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon X. Rost , Ivar Leon Menger , John Beckmann , Raimon Weber , Hendrik Buchna , Christoph Zachariae
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Hia-Takee hatte sich in weiter Ferne an einen Baum gelehnt und wartete. So blieb uns die Zeit, ein Feuer zu entfachen, um Se-Temm wieder aufzuwärmen. Allmählich erholte er sich.
    Bald darauf ging es weiter. Am späten Nachmittag gelangten wir auf freies Feld.
    Plötzlich kam auf der weiten Ebene eine Gruppe von Gestalten auf uns zu. Durch das strahlende Gegenlicht der Sonne konnten wir anfangs nicht erkennen, wer sie sein konnten, doch dann durchfuhr es uns wie ein Blitzschlag.
    Die, die da über den Schnee auf uns zukamen, waren wir. Ni-Katea, Se-Temm, Jutaka, Ma-Tu und alle anderen. Auch ich selbst.
    Wir wussten kein Wort hervorzubringen. Wir standen da und starrten sie an. Dann waren sie bei uns. Ein jeder von uns blickte in sein Ebenbild. Ich sah in mein Gesicht, in meine Augen.
    Nun begann mein Gegenüber zu sprechen. »Es ist sinnlos. Du wirst die verbotene Lichtung nie erreichen. Komm mit mir. Komm nach Hause. Nach Hause …«

    Die Welt um mich herum begann zu verschwimmen. Ich sah das Zelt meiner Eltern vor mir. Meine Mutter. Lächelnd winkte sie mir zu und streckte ihre Arme nach mir aus. Sanft und liebevoll.
    Gerade wollte ich nach ihr greifen, da verharrte ich zögernd. Meine Mutter hatte begonnen, ihre Hüften langsam hin und her zu wiegen, so als tanze sie in einem lautlosen Wind. Anfangs war dieser Tanz noch ruhig und anmutig, doch er wurde zusehends schneller und verstörender. In immer wilderen, erschreckend abgehackten Bewegungen warf meine Mutter ihren Oberkörper hin und her und näherte sich mir dabei Schritt um Schritt.
    Jetzt begann ich zurückzuweichen.
    Das … konnte nicht meine Mutter sein. Die Hände meiner wirklichen Mutter waren zart und schmal. Diese seltsame Frau jedoch hatte grobe und unnatürlich bleiche Hände mit sehnigen Fingern, an denen irgendeine Flüssigkeit klebte. Außerdem hatte meine Mutter niemals ein so großes Messer getragen.
    Während ich die unheimliche Tänzerin noch gebannt anstarrte, begann sich ihr Gesicht plötzlich zu verändern. Es verschob sich, wurde breiter und auf grauenhafte Weise flach und stumpf. Noch schneller wurde der Tanz, immer näher kam mir die schreckliche Gestalt, die mich nun widerwärtig angrinste und mit dem Messer wilde Kreise in die Luft schnitt. Längst war es nicht mehr das Gesicht meiner Mutter, sondern eine schneeweiße Fratze, die mich aus lodernden Augen anstarrte. Lockend und gierig. Ein Mund wie ein rotes Loch, tropfend und ausgefranst.
    »Du bist es nicht!«, schrie ich voller Zorn und Furcht.
    Im nächsten Augenblick verwehte das entsetzliche Bild vor meinen Augen. Mein Blick wurde klar.
    Ich befand mich wieder auf dem Feld. Unsere Ebenbilder waren verschwunden. Und alle meine Freunde mit ihnen. Allein Ni-Katea und ich waren zurückgeblieben. Umkreist von Skeletten auf weißen Blättern.
    »Sie waren nicht stark genug«, sagte Ni-Katea und drehte sich um. »Wir müssen weiter.«

    Jetzt gab es nur noch uns und den alten Mann, der uns voranschritt. Auf den Wald zu.
    Wieder verschlang uns düstere Finsternis. Mühsam kämpften wir uns weiter. Schritt um Schritt. Meile für Meile.
    Immer schwerer wurden meine Beine. Und die Müdigkeit immer stärker. Sie nistete sich in meinen Gedanken ein wie ein unheilvoller Vogel, dessen weiche schwarze Schwingen mich sanft in tödlichen Schlaf wiegen wollten. Der Drang, ihm nachzugeben, wurde von Stunde zu Stunde stärker. Nur für einen Augenblick wollte ich mich ausruhen, in den Schnee hinabsinken und meine schmerzenden Glieder ausstrecken. Nur für einen kurzen Moment … doch jedes Mal, wenn ich dem beharrlichen Locken meiner Müdigkeit nachgeben wollte, trieb mich Ni-Katea zum Weitergehen an.

    Und eines Abends dann … war es soweit.
    Der alte Hia-Takee war stehen geblieben und wies mit seiner Rechten stumm nach vorn. Obwohl es bereits dunkelte, konnte ich erkennen, dass sich der Wald in einiger Entfernung lichtete. Schwache Helligkeit drang zwischen den Bäumen hindurch wie der Glanz eines kalten Feuers. Weiter würde uns Hia-Takee nicht führen. Die letzten Schritte mussten wir allein gehen. Trotz der eisigen Kälte stand mir der Schweiß auf der Stirn, und meine Kehle war wie zugeschnürt. Nach all den Schrecknissen und Gefahren waren wir tatsächlich an unserem Ziel angelangt!
    Zögernd näherten wir uns den letzten Bäumen, die zwischen uns und der verbotenen Lichtung lagen. Mit zitterndem Arm drückte ich einen schneebedeckten Ast beiseite … und taumelte keuchend zurück.

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