Darkside Park: Mystery-Thriller (German Edition)
hatte. Dann folgte ein ausgiebiges Schmatzen. Ich war versucht nachzusehen, was sich hinter der zweiten Tür abspielte.
Glas zersplitterte, und eine Sekunde später wurde die Tür aufgestoßen. Die Gestalt, die in den Raum stürmte, erschrak mich so heftig, dass ich aufsprang und der Stuhl hinter mir krachend auf den Fliesen landete. Erst auf den zweiten Blick konnte ich den Eindringling als Mensch identifizieren. Es war eine Frau mit langen verfilzten Haaren, ein Auge war zugeschwollen. Getrocknetes Blut umgab ihren Mund wie verschmierter Lippenstift. Der Oberkörper war nach vorn gebeugt, so als wäre es ihr nicht möglich, aufrecht zu gehen. Sie stank nach Exkrementen. Aus ihrer Kehle drang ein Grunzen, und ich sah, dass ihr Gebiss nur noch aus verfaulten Zahnstummeln bestand. Sie streckte ihre schorfigen Hände nach mir aus und versuchte, den Tisch zu umrunden.
›Sie ist völlig wahnsinnig!‹, durchfuhr es mich.
Ich beförderte den umgekippten Stuhl mit einem Tritt vor ihre Füße. Sie stolperte darüber und ging zu Boden. Der Aufprall war so heftig gewesen, dass sie einen Moment liegen blieb und mit flackerndem Blick zu mir aufsah. Etwas in ihrer kaum noch als menschlich zu bezeichnenden Grimasse veränderte sich kurz. Die rasende Wut wich Unverständnis, dann schien sie etwas sagen zu wollen. Aber die Frau brachte nur einen seltsamen glucksenden Laut zustande. Ich bewegte mich rückwärts zum Ausgang.
Eine Hand legte sich auf meine Schulter. Ich fuhr herum, befürchtete, einem zweiten Angreifer gegenüber zu stehen … und blickte in Brenners Gesicht. Er schob mich aus dem Raum und verriegelte die Tür hinter uns.
»Eine Mandantin«, teilte er mir mit.
Ich starrte ihn fassungslos an.
»Wir vertreten die Rechte einer Gruppe von Obdachlosen«, fuhr er in einem Tonfall fort, als sei überhaupt nichts Ungewöhnliches geschehen. »Bisweilen sind sie etwas … kompliziert. Aber harmlos.«
Brenner bewegte sich mit mir den Flur entlang. In Richtung Ausgang.
»Bezüglich Ihres Freundes habe ich mit unserem Personalleiter gesprochen. Ein Tom Lennox hat hier weder gearbeitet, noch wurde an ihn ein Stipendium vergeben. Sicherheitshalber habe ich mich auch mit der Leitung der Universität in Verbindung gesetzt. Ebenfalls Fehlanzeige.«
»Aber Ihre Kanzlei hat doch sogar den Makler für die Wohnung gestellt.«
Brenner schüttelte bedächtig den Kopf, seufzte und vermittelte mir das Gefühl, er habe ein unwissendes Kind vor sich.
»Ausgeschlossen, Mr. Benchley.«
Die Aufzugtür öffnete sich. Der Wachmann trat in den Flur. Seine rechte Hand lag auf dem silbernen Stab in seinem Holster.
Vielleicht war alles ganz anders. Vielleicht waren meine Freunde tatsächlich nie in Porterville angekommen. Ich konnte mich kaum noch konzentrieren. Meine Gedanken glichen Rauchschwaden im Wind.
Die Bibliothek! Dort hatte Sarah einen Job bekommen.
War der Hudson Tower von außen ein nüchterner Zweckbau, so glich die Bibliothek einem prunkvollen Palast. An der Fassade war ein riesiges Plakat angebracht, von dem ein hagerer Mann mit schmalem Oberlippenbart auf mich herabblickte. ›George-Orwell-Wochen‹ verkündete der Schriftzug unter dem Bild des Schriftstellers.
Das Innere des Gebäudes übertraf meine kühnsten Erwartungen. Die Auswahl an Büchern, die stilvolle Einrichtung mit zahllosen Nischen, in denen gemütliche Ohrensessel zum Verweilen einluden, das alles machte die Bibliothek zu einem Paradies für Literaturfreunde. Ich fragte eine junge Frau, die gerade damit beschäftigt war, eine Glasvitrine mit einer GeorgeOrwell-Büste zu bestücken, nach dem Bibliotheksleiter. Sie deutete auf einen unscheinbaren Mann mit Nickelbrille, der ein wenig verloren an einem Lesepult lehnte.
Dieses Mal versuchte ich eine andere Taktik. »Guten Tag. Mein Name ist Douglas Benchley. Ich muss dringend Ihre Mitarbeiterin Miss Sarah Freeman sprechen.«
Ich sah, dass Martin Prey, sein Name stand auf dem kleinen Schild an seinem Jackett, zusammenzuckte. Seine durch die dicken Brillengläser ohnehin vergrößerten Augen weiteten sich.
»Was wollen Sie von ihr?«
Ich war wie elektrisiert. »Sie kennen Sie also?!«
Prey setzte zu einer Antwort an, erstarrte plötzlich und blickte mit offenem Mund an mir vorbei.
»Ah! Da stecken Sie ja, Douglas!«
Sheriff Parker! Der weiche Teppich hatte seine schweren Schritte gedämpft.
»Wie ich sehe, sind Sie mir zuvorgekommen. Ich wollte mich gerade bei Mr. Prey nach Ihrer Freundin
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