Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)
gefallen zu sein.
Madonnenstatuen in allen möglichen Größen bedeckten fast jede ebene Fläche im Raum. Lettice favorisierte die stehende Madonna, aber hier und da gab es auch kleine Reproduktionen der Marienklage und der Verkündigung. Huldvolle Bilder der Heiligen Mutter strahlten aus verzierten Rahmen in der Mitte jeder Wand. Einige der Rahmen waren antik, aber keine der Madonnen war golden.
Lettice schnarchte leise und regelmäßig, und als Nick an die Seite des Bettes trat, sah sie zu ihrer Überraschung, dass das hübsche Gesicht der Frau mit einem Ausschlag bedeckt war, der an einen schlimmen Fall von Masern erinnerte und den eine Schicht milchiger, getrockneter Hautlotion überdeckte. Sie trug zum Schlafen eine einfache Baumwollunterhose und hatte sich die Laken, mit denen sie zugedeckt war, bis auf die Hüfte heruntergeschoben. Der gleiche Ausschlag wie auf dem Gesicht überzog auch die Arme, den Hals und die Brust. Unter noch mehr Hautlotion bildeten die roten Pocken ein V unter ihrem Schlüsselbein, das genauso aussah wie der Sonnenbrand von jemandem, der eine Bluse mit einem offenen Kragen getragen hatte.
Nick durchsuchte leise das Zimmer, fand jedoch nichts. Dann beugte sie sich über die Frau und betrachtete die Quaddeln genauer. Bei der Menge an Lotion, die sie überdeckte, war es schwer zu sagen, aber Nick fand keine Anzeichen für punktuelle Einstiche, Risse oder größere Wunden. Auf einem Stück Haut, das Lettice beim Einschmieren vergessen hatte, bemerkte Nick, dass der Ausschlag nicht aus Pusteln bestand, sondern eher nach Insektenstichen aussah.
Sie ist gestochen worden, nicht gebissen . Nick war verwirrt. Wenn sie die Einheimischen nicht anzapfen, wie ernähren sie es dann?
Es sei denn, sie ernährten es gar nicht.
Der Klang eines Riegels, der unten unter ihren Füßen zurückgeschoben wurde, trieb Nick zur Eile. Sie beugte sich so dicht, wie sie es wagte, über die Frau und roch an ihrer Haut. Sie nahm nur Seife, getrocknete Kräuter – vermutlich von dem Beutel in der Schublade, in der der Slip aufbewahrt worden war – und den kalkhaltigen Geruch der Hautsalbe wahr. Nicht mal ein Hauch Blumen.
Etwas stimmt hier nicht.
Schritte erklangen; der Fleischer kam nach oben. Nick blickte aus dem Fenster, bevor sie rauskletterte und sich an das Abflussrohr hängte. Es wackelte diesmal ein bisschen, deshalb ließ sie sich so schnell heruntergleiten, wie sie es wagte, sprang dann ab und griff nach ihren Stiefeln. Sie blieb nicht stehen, um sie anzuziehen, sondern trug sie unter dem Arm, während sie um die Ecke lief. Erst, als sie außer Sichtweite der Fleischerei war, blieb sie stehen und schob ihre Füße hinein.
Sie musste zurück an ihren Computer und alles, was sie über merkwürdige Vorfälle im Dorf und in der Umgebung finden konnte, aus dem Internet ziehen. Bei all den »schlechten Omen«, die man dem Schloss zuschrieb, musste da etwas sein.
»Du hast mich allein gelassen«, sagte eine junge, lallende Stimme auf Französisch hinter ihr. »Amerikanerinnen sind Huren. Sagt mein Vater.«
Scheiße . Nick wandte sich um und sah Bernard mit unsicherem Gang auf sich zukommen, eine volle Bierflasche in der Hand. Er sah nicht aus, als wollte er jetzt noch mit ihr aufs Zimmer kommen.
»Japp, wir sind alle Huren.« Das war besser, als sich mit ihm anzulegen. »Und jetzt geh nach Hause, Kleiner.«
»Kleiner? Wen nennst du hier Kleiner?« Er nahm einen Zug aus der Bierflasche, bevor er sie gegen eine Hauswand schlug. Bier spritzte an seine Beine, und Schaum bildete sich um seine Füße. »Ich war nett zu dir. Ich habe deinen Wein bezahlt. Und dann stiehlst du mir mein Geld.«
»Ich habe dein Portemonnaie auf dem Boden gefunden und es dir wiedergegeben«, erklärte sie.
»Die Männer im Café haben es gesehen. Du hast mich wie einen Idioten aussehen lassen. Sie haben mich ausgelacht.« Er versuchte, aus der zerbrochenen Flasche zu trinken, starrte sie an, als wenn er nicht sicher wäre, was es war, dann hielt er sie nach oben. »Siehst du, wie weit du mich gebracht hast, du amerikanische Hure?«
»Gern geschehen. Bye.« Nick drehte sich um und ging mit schnellen Schritten davon.
Er holte sie ein, riss sie herum und hielt ihr das scharfkantige Ende der Flasche unter die Nase. »Dafür wirst du bezahlen.«
Bernard meinte es ernst und war noch nüchtern genug, um wirklichen Schaden anzurichten. Sie hatte ihren Baseballschläger in der Pension gelassen. Es gab keinen Polizisten im Dorf;
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