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Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)

Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)

Titel: Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Viehl
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angebracht? Warum dieses plötzliche Bedürfnis, eine verfallene Ruine zu sichern, der sich niemand im Umkreis von siebzig Kilometern freiwillig näherte? Vielleicht geht es nicht darum, jemanden auszusperren, sondern jemanden drinnen festzuhalten .
    Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass der Fliegenschwarm sich immer noch vor der Eingangstür befand, nahm Nick den Helm ab. Der Geruch von Staub, Schimmel und verrottendem Holz ließ sie kurz die Nase rümpfen, bis sie den Hauch von etwas anderem wahrnahm. Wenn sie nicht mitten in der Kapelle gestanden hätte, dann hätte sie schwören können, dass sie wieder draußen im Wald war.
    Was immer es war, dieser scharfe, harzige, kräftige Geruch – fast wie frisch geschnittene Tannenzweige – schien stärker zu werden, während sie sich dem Altarbereich näherte. Sie atmete ihn tief ein, und Bilder aus ihrer Kindheit kamen ihr in den Sinn. Tannenzweige, die ihre Mutter zusammengebunden, dekoriert und an jede Tür gehängt hatte. Der große Baum, den Malcolm jeden Dezember in seinem Rover nach Hause transportiert hatte, um ihn neben den Kamin zu stellen.
    Tannenbaum .
    Nick benutzte den Bolzenschneider erneut und knackte damit das Vorhängeschloss. Sie steckte das zerstörte Schloss ein und schob vorsichtig die Tür auf. Sie knarrte so laut, dass sie zusammenzuckte, aber dann schlug ihr ein Stoß staubige Luft aus einem merkwürdigen Winkel entgegen. Sie holte ihre Taschenlampe heraus und schaltete sie ein.
    Die wackeligste Treppe der Welt wand sich nach unten und verschwand in einem Brunnen aus Dunkelheit.
    Nick lauschte angespannt, aber kein Laut drang von unten herauf, nicht einmal das Zirpen einer Grille. Sie drehte die Taschenlampe so, dass sie die von Spinnweben überzogene Steinmauer beleuchtete, bevor sie eintrat.
    Der Duft von Weihnachten stieg von unten auf und begrüßte sie.
    1 1. Kor. 3, 16–17.
    2 Galater 1, 13.

 
    8
    Dunkle, stille und dreckige Keller waren die Orte, die Nick am wenigsten gerne erkundete. Nichts Gutes wurde jemals in ihnen zurückgelassen, und wenn sie nicht regelmäßig geputzt und benutzt wurden, dann nistete sich dort eine Menge unangenehmes Zeug häuslich ein. Schlangen. Spinnen. Hausbesetzer.
    Doch jemand war kürzlich hier unten gewesen, hatte einige der größeren Spinnweben zerstört und Schleifspuren und merkwürdige puderige Rückstände auf den Treppen hinterlassen. Sie fragte sich, ob sie gerade ein Heroin- oder Kokainlager entdeckte oder das geheime Labor irgendwelcher Drogendealer.
    Oder vielleicht ist das hier eine weitere Entsorgungsanlage . Sie blieb auf einer Treppenstufe stehen, als ihr der Ort wieder einfiel, den sie außerhalb von Marseille entdeckt hatte, wo die heiligen Freaks in eine Fabrik gezogen waren und einen riesigen Hochofen in ein Krematorium verwandelt hatten. Es hatte sie eine ganze Nacht gekostet, die Vorrichtung so zu zerstören, dass sie nicht mehr zu gebrauchen war.
    Das hier war vielleicht schlimmer.
    Sie hasste es, das zu machen. Sie schuldete niemandem etwas, vor allem denen nicht. Und wenn er einer von ihnen war … Aber sie konnte nicht gehen, nicht bis sie es herausgefunden hatte. Die Angst würde sich hinten anstellen müssen.
    Am Fuß der Treppe befand sich ein Lichtschalter, und geistesabwesend knipste Nick ihn an. Zwei kleine Flutlichter erhellten einen großen Raum, der an der einen Seite in einen gemauerten Gang führte.
    Elektrisches Licht. In einer verlassenen Kapelle, die angeblich jeden Moment einstürzen konnte. Die niemand betreten durfte. Wenn nichts anderes gerufen hätte: »Fürchte dich, fürchte dich sehr«, das hier tat es.
    »Ich habe keine Angst«, murmelte Nick ganz leise, während sie dem Tannenduft folgte. »Es gibt nichts, wovor ich Angst haben müsste.«
    Nick machte es nichts aus, sich selbst zu belügen. Von der Wahrheit wurde niemand befreit.
    Der holzige Duft schien hinter einem großen Wandteppich am Ende des Kellergangs hervorzukommen. Als der Lichtkegel von Nicks Taschenlampe ihn erfasste, stellte sie sofort die Tasche ab und trat zurück, um ihn sich genauer anzusehen. Zuerst schien es nur der fadenscheinige Rahmen für die Ratten- und Mottenlöcher zu sein, die hineingefressen worden waren, doch dann erkannte sie, was das gewebte Bild einmal dargestellt hatte: eine hellhaarige Frau, die neben einem Baum stand. Die Dame hatte die Arme um den Stamm geschlungen; die Äste des Baumes neigten sich nach unten und umfingen sie, als versuche der Baum, die Umarmung

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