Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)
die sie in der Pension mit Wasser gefüllt hatte, und daraus trank. »Denkst du nicht, dass du das etwas früher hättest erwähnen sollen?«
»Man zwang mich, die Kirche zu verlassen, als ich ein Kyn wurde«, erklärte er ihr. »Ich bin schon seit vielen Jahren kein Priester mehr.«
»Gut. Ich meine, es tut mir leid, dass du ausgetreten bist oder gefeuert wurdest oder was auch immer passiert ist.« Höchste Zeit, mehr Einzelheiten zu erfahren. »Bist du verheiratet?«
»Wir heiraten nicht. Manchmal nehmen wir uns eine Sygkenis , eine Lebensgefährtin, aber nur wenige Frauen erhoben sich aus ihren Gräbern, um durch die Nacht zu wandeln. Einmal dachte ich, dass ich vielleicht …« Er zuckte mit den Schultern. »Aber es gab nie jemanden in meinem Herzen.«
Dieses merkwürdige Zögern ließ Nick glauben, dass es da vielleicht eine Frau in Gabriels Vergangenheit gegeben hatte. Er lebte schon so lange; wie konnte er all diese Jahre allein verbracht haben? Aber zumindest wusste sie jetzt, dass sie nicht in fremdem Territorium wilderte. »Wie war es? Ein Templer zu sein?«
»Bernard de Clairvaux nannte uns Krieger, die ›sanfter als Lämmer und wilder als Löwen sind, die die Milde des Mönchs mit dem Mut des Kriegers in sich vereinen‹«, sagte Gabriel. »Aber selbst er verstand nicht, was wir waren. Wir eroberten den Tempel Salomons zurück, aber wir schmückten ihn mit Waffen anstatt mit Juwelen. Wir zogen nicht für den Ruhm in den Kampf, sondern um zu siegen. Man brachte uns bei, zu schweigen, niemals Worte oder Handlungen unnütz zu verschwenden, niemals zu lachen oder zu schwätzen, niemals der Eitelkeit oder der Faulheit zu frönen. Wir beschützten die Schwachen, die Gläubigen und die, die sich nicht selbst verteidigen konnten. Wir versuchten, alles zurückzuerobern, was uns heilig war. Clairvaux sagte, wir seien viele, aber wir würden in einem Haus leben, nach einer Regel, mit einer Seele und einem Herzen. Manchmal war das so.«
»Das klingt wirklich schön«, sagte sie, ein bisschen bestürzt über die Beschreibung seiner ehemaligen Berufung als Mensch, »aber ich kann mir dich einfach nicht beim Lesen der Bibel oder bei der Austeilung des Heiligen Abendmahls vorstellen.« Vielleicht weil sie ihm in der Dusche einen geblasen hatte und sich schon die ganze Zeit ausmalte, was sie noch alles mit ihm tun würde, wenn sie erst in seinem Haus waren. Kommt man in die Hölle, wenn man einen Ex-Priester-Vampir zum Orgasmus bringt?
Er lächelte traurig. »Ich muss leider gestehen, dass ich das während meines menschlichen Lebens nur selten getan habe.«
Sie reichte ihm die Feldflasche. »Kannst du immer noch Wasser trinken?«
»In kleinen Mengen.« Gabriel nahm einen Schluck, bevor er sie ihr zurückgab. »Ich verbrachte meine Zeit als Priester fast ausschließlich damit, an der Seite meiner Templer-Brüder im Heiligen Land zu kämpfen. Wir schlugen unzählige Schlachten gegen die Sarazenen, aber am Ende waren es zu viele.«
Zu viele . Nick erinnerte sich an das, was der Grüne Mann gesagt hatte, und hob die Feldflasche an den Mund. »Träumst du, wenn du schläfst?«
»Die Kyn schlafen nicht wirklich. Wir ruhen unsere Körper aus. Unseren Verstand, unsere Träume …« Er hielt inne und dachte einen Moment nach. »Ich kann es nicht richtig beschreiben. Ich nenne es das Nachtland.«
Als sie ihr eigenes Wort aus seinem Mund hörte, hätte sich Nick beinahe an dem Wasser verschluckt.
»Mein Freund Thierry kann in die Träume von schlafenden Menschen eindringen«, fuhr Gabriel fort. »Er kann sie sogar ändern.«
Hatte jemand ihre Träume manipuliert? »Könnt ihr das alle?«
»Nein, nur Thierry.«
Sie fühlte sich ein bisschen besser. »Ich weiß, er ist dein Freund und alles, aber das ist ein bisschen gruselig.«
Er machte eine gleichgültige Geste. »Das sind die Kyn generell.«
»Da ist noch eine andere Sache, die ich nicht verstehe«, meinte Nick und beobachtete, wie die Motten, die wieder zurückgekehrt waren, in einer Reihe über ihren Unterarm marschierten. »Du hast gesagt, dass deine Schwester und einige Verwandte deines Freundes ebenfalls zu Kyn wurden. Aber deine Schwester und die anderen, die waren doch nicht auf den Kreuzzügen, oder?« Als er nickte, fügte sie hinzu: »Wenn diese Darkyn-Sache wirklich ein Fluch von Gott war für das, was ihr im Heiligen Land getan habt, dann hätte er sie nicht treffen dürfen.«
»Das sehe ich schon lange genauso.« Gabriel wandte sich ihr zu. »Bist
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