Darkyn: Blindes Verlangen (German Edition)
zerschneiden, dann tauchte sie die Streifen in den Eimer mit Wasser, bevor sie eine Flasche mit dunkler, wässriger Flüssigkeit darübergoss. Gabriel ließ die Spinnen am Brunnen hochklettern, damit er ihr Gesicht besser sehen konnte.
»Ich brauche keinen blinden Freund. Er braucht meine Scheiße nicht. Ich werde ihn einfach zu den anderen bringen, damit er in Sicherheit ist, und ihn dann vergessen.« Sie schniefte und rieb mit ihrem Handrücken unter ihrer Nase entlang. »Es ist der einzige Weg.«
Nicola versuchte, sich ihn auszureden, etwas, dass er nach den Ereignissen der Nacht gut verstehen konnte. Dennoch schmerzte ihn die Tatsache, dass sie ihn so skrupellos verlassen wollte, bis er die Vielen so positionierte, dass er ihren Gesichtsausdruck erkennen konnte.
Die nassen Spuren auf ihrem Gesicht verliefen von ihren Augen bis zu ihrem Kinn. Sie weinte.
Ohne zu wissen, dass sie beobachtet wurde, legte Nicola die nassen Stoffstreifen auf den Rand des Brunnens, drehte den Eimer um, sodass das Wasser auslief, und stellte dann ihr Bein oben auf den Boden des Eimers.
»Wenn man etwas liebt, muss man es gehen lassen.« Die Klinge blitzte auf, als sie damit von hinten in ihr Bein stach. »Also lass ihn gehen, Nick; lass ihn frei, oder du wirst sein Leben auch noch ruinieren.«
Nicola . Er hätte die Vielen fast zu ihr geschickt, um ihr das Stilett aus den Händen zu reißen.
»Es ist das Beste so. Er wird glücklich sein. Ich werde damit fertig.« Sie drehte das Messer von einer Seite zur anderen. »Vielleicht in ein paar hundert Jahren.«
Eine dunkle, deformierte Kugel fiel mit einem blutigen Platsch auf ein Beet aus Vogelmiere, und sie griff nach dem nassen Stoff und presste ihn wie einen Pfropfen hinten auf ihr Bein.
»Nicola.«
Gabriel erwachte mit einem Ruck und drehte sich sofort um, tastete mit seinen Händen. Er fand sie neben sich zusammengerollt, den Kopf auf ihre Hand gelegt, und fuhr mit den Fingern über ihren Körper. Keine Schusswunde entstellte ihr nacktes Bein, obwohl er jeden Zentimeter ihrer Haut zweimal kontrollierte.
Er hatte sich das nur eingebildet, es hatte sich nur in seinem Kopf abgespielt. Aber wenn es nur das gewesen war, warum war er dann blind gewesen? In allen seinen Träumen konnte er sehr gut sehen.
Seine Hand wanderte zu ihrem Gesicht, und er spürte die kühlen, feuchten Tränenspuren dort.
Manchmal sind Träume nur eine verdrehte Form der Realität.
Gabriel ließ sich wieder nach hinten sinken, zog sie an sich und hielt sie gegen sein klopfendes Herz.
Obwohl Michael Cyprien über die Jahrhunderte schon unzählige Male in Dublin gewesen war, gestatteten ihm die fehlenden Hochhäuser und die zwei- oder dreistöckigen Gebäude in der Stadt, sich daran zu erinnern, wie es hier vor dem Zeitalter von Stahl und Beton ausgesehen hatte. Dublin war immer noch irgendwie ein gedrungenes, zu groß gewachsenes Dorf, das vom Fluss Liffey geteilt wurde, das zinnfarbene Meer im Rücken.
Es gab Veränderungen, radikal und subtil. Die vielleicht einschneidendste war die irische Ablehnung des britischen Kolonialismus. Dublin zeigte das sehr subtil, indem auf den Straßenschildern sowohl die englischen als auch die gälischen Namen standen, so als wollte man Besucher daran erinnern, dass die Einwohner eine eigene Sprache hatten, selbst wenn sie niemand mehr sprach. Doch die Iren erhoben Anspruch auf Seriosität und versuchten, das durch die Gebäude zu erreichen, vor denen hohe weiße griechische Säulen standen.
Da Richards Leute alle gehobenen Hotels der Stadt beobachteten, hatte Michael Philippe angewiesen, ihnen eine kleine, eher trostlose Pension im Arbeiterviertel auf der Nordseite Dublins zu buchen. Die Wirtin, eine Witwe, deren Garderobe nur aus langen schwarzen Crêpe-de-Chine-Kleidern zu bestehen schien, warnte sie, dass sie das gesetzliche Rauchverbot in Pubs und Restaurants beachtete und sie sofort rausschmeißen würde, wenn sie Tabak roch oder jemanden dabei erwischte, wie er sich in den Zimmern eine Zigarette anzündete. Zu Michaels Unmut stellte sich heraus, dass die Wirtin zu den seltenen Menschen gehörte, die eine natürliche Immunität gegen l’attrait besaßen. Er war froh gewesen, das Haus verlassen und mit Leary in einen der hiesigen Pubs zum Essen gehen zu können.
»Sind Sie gerade aus London hergekommen?«, fragte der dunkelhaarige, drahtige Wirt Cyprien, als er ihm ein Glas Wein gab.
»Gestern.« Michael sah zu Philippe und Marcella hinüber, die an einem
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