Darkyn: Dunkle Erinnerung (German Edition)
Klang einer wütenden, gedämpften Stimme.
Jemand war im Stockwerk unter ihr. Jemand, der dort nicht sein wollte.
Sie lief zurück zur Treppe und ging ein Stockwerk tiefer. Hier war die Zugangstür abgeschlossen, und es brauchte ein bisschen mehr Geschick, sie zu öffnen. Dann ging sie den Gang entlang und lauschte an jeder Tür auf Schläge. Das einzig Seltsame waren die Türschlösser, die aussahen, als wären sie aus mit spitzen Zacken versehenem Kupfer gemacht. Eine Reihe von gedämpften Schreien, die hinter der letzten Tür erklangen, ließ Sam die Dietriche herausholen und am Schloss arbeiten.
Nach zehn Minuten Kampf mit den Schlossstiften bekam Sam die Tür auf und ging hinein. Der Raum hinter der Tür war ein funktionales Gästezimmer mit Möbeln aus Walnussholz und einer cremefarbenen und jagdgrünen Einrichtung. Da war niemand, der auf den großen Plasmafernseher an der Wand sah, deshalb ging sie in das angrenzende Schlafzimmer.
Auf einem zerwühlten Bett hatte jemand eine halb nackte Frau geknebelt und angekettet. Eine Sekunde lang glaubte Sam, sie wäre tot, doch dann öffneten sich ihre braunen Augen, und sie schrie gedämpft auf.
»Nicht schreien.« Sie lief hinüber und löste den Seidenschal über dem Mund der Frau. »Ich bin Polizistin. Ich hole Sie hier raus.« Sam nahm eines ihrer Handgelenke in die Hand, um sich die Fesseln darum anzusehen. »Wie heißen Sie?«
»Alex Keller.« Die Brünette drehte den Kopf und sah zum Fenster. »Waren da unten große Männer mit Schwertern, die sich auf Französisch oder Latein angeschrien haben?«
»Kann ich nicht sagen«, gestand Sam. »Ich habe den Hintereingang genommen.« Die Schlösser an den Fesseln waren anders als alles, was sie jemals gesehen hatte. »Wie zum Teufel soll ich Sie davon befreien?«
»Gar nicht«, erklärte ihr Alex. »Sie lassen sich nur mit einem elektronischen Schlüssel öffnen. Und dafür ist auch gar keine Zeit. Sie müssen einen Krieg aufhalten.«
»Ich bin Polizistin, Lady, nicht die UN.« Sam roch Lavendel, spürte ein angenehmes Ziehen in der Brust und starrte auf Alex hinunter. »Sie sind wie Lucan. Sie sind ein Vampir.«
»Werfen Sie mir das nicht vor. Ich wollte das nicht. Wie viel wissen Sie über Lucan und die Kyn?«
Offensichtlich nicht genug. »Alles«, log Sam.
»Gut.« Alex richtete sich so weit auf, wie sie konnte. »Lucan versucht, meinen Geliebten Michael Cyprien dazu zu bringen, die Festung hier zu stürmen. Sie müssen mit Michael sprechen, bevor er das tut, und ihm sagen, dass es mir gut geht, oder eine Menge Leute werden sterben.«
»Vielleicht sollte ich Lucan holen, und Sie beide besprechen das miteinander«, schlug Sam vor.
»Das habe ich schon versucht, aber das dämliche blonde Arschloch hört mir nicht zu«, erklärte ihr Alex. »Ich schätze, es ist einfacher, Leute umzubringen. Auftragskillermentalität.«
»Er ist kein Auftragskiller.« Sam trat einen Schritt vom Bett zurück. »Er ist Nachtclubbesitzer.«
Alex sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. »Ich dachte, Sie wüssten … Oh, scheiße.« Sie zog an den Kupferfesseln. »Warum muss das immer an mir hängen bleiben? Ich bin Chirurgin und keine verdammte Seelenklempnerin.« Sie blickte Sam ernst an. »Hören Sie, diese Typen haben einen König namens Richard. Lucan war Richards Auftragskiller. Dann war er es leid oder was auch immer und kam hier nach Amerika, um seinen eigenen Jardin zu führen. Aber eigentlich will er es nur endlich Michael heimzahlen. Können Sie mir folgen?«
Lucan war ein Auftragskiller. Richards Auftragskiller. Wer immer Richard war. Etwas in Sams Innerem riss entzwei. »Wie viele Leute hat Lucan umgebracht?«
»Das ist jetzt nicht wichtig, Süße. Der Punkt ist, ihn davon abzuhalten …«
»Wie viele?«, schrie sie.
Alex’ Gesichtsausdruck wechselte von drängend zu mitfühlend. »Ich weiß es nicht. Niemand spricht über ihn, und sie lassen mich nicht lange genug in seine Nähe kommen, um mir seine Geschichte anzuhören. Ich kann Ihnen nur sagen, was man mir erzählt hat. Wenn es ein Problem unter den Kyn oder mit der Bruderschaft gab, dann schickte Richard immer Lucan, und der kümmerte sich dann darum. Jeder, den er mit diesen Händen berührt, stirbt. Er ist der Beste.«
Der Beste. Der beste Killer. Der beste Auftragskiller.
Sam fühlte sich benebelt, so als hätte sie jemand unter Drogen gesetzt. »Die Bruderschaft?«
»Das sind die fanatischen Kerle, die sich als Priester ausgeben und
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