Darkyn: Dunkle Erinnerung (German Edition)
kein Gentleman«, zischte sie.
»Dann ist es ja gut, dass du keine Dame bist.« Er nahm ihren Arm, und als sie ihn wegzureißen versuchte, fügte er hinzu: »Wir können ruhig und leise zu deiner Wohnung gehen und dadurch keine weitere Aufmerksamkeit auf uns ziehen oder du machst mir eine Szene und ich werde einen kleinen Snack zu mir nehmen, bevor ich wieder fahre.« Er zeigte ihr seine Fangzähne, bevor er ihre vernarbte Hand hochhob und seine blutigen Lippen daraufpresste. »Du hast die Wahl, Liebste.«
»Wie wäre es, wenn ich dir ins Gesicht schieße?«, fragte sie und zog mit ihrer freien Hand ihre Waffe. »Würde dir das gefallen?«
»Wenn du dich dann besser fühlst, bitte, dann tu es.« Er griff nach der Waffe und zog sie unter sein Kinn. »Wenn du es schaffst, mein Rückgrat zu durchtrennen, wirst du mich umbringen. Wenn du es verfehlst, hinterlässt du nur ein hässliches Loch, aber du bist eine gute Schützin, nicht wahr?«
Sam versuchte, die Waffe zurückzuziehen, aber er ließ es nicht zu. Ihre Narbe brannte unter dem Blut an ihrer Hand, und Jasmin und Bilder fluteten ihren Kopf. Zuerst dachte sie, es sei etwas, das er mit ihr tun würde, weil ihre Sache nur bei Toten funktionierte.
Bis jetzt.
Sam sah etwas wie einen zu schnellen Film ohne Ton, der in ihrem Kopf rückwärtslief. Lucan, der nach Florida kommt. In New Orleans jagt. Über den Atlantik fährt. Richard zum letzten Mal gegenübersteht. Die Verwundeten aus ihrer Zelle trägt. Die sadistischen Inquisitoren tötet, die sie gefoltert haben. Nach den Durands sucht.
»Hör auf«, flüsterte sie.
Der Film lief schneller. Lucan, der nie in einer Stadt blieb, nie in einem Land. Gehasst von seinen eigenen Leuten. Der Kreaturen wie den Schlangenmann fing und tötete. Die Menschenfrauen, die er benutzte, um Frances zu vergessen. Das Grab, wo sie beerdigt lag. Jahre der Verteidigung der Kyn. Zusammentreffen mit Frances in Rom. Wie er sich in Frances verliebte.
Frances, die Sams Zwillingsschwester hätte sein können.
Er lächelte. »Zögere jetzt nicht.« Er ließ die Waffe los, aber seine metallischen Augen bohrten sich weiter in ihre. »Du bist eine Gesetzeshüterin, Samantha. Tu deine Pflicht.«
Sie hätte wirklich abdrücken sollen. Was er getan hatte, was er war, sein ganzes Leben erfüllte jetzt ihren Kopf, und es war etwas, das sie nicht fassen konnte. Gefühle, so neu und fremd und beängstigend, drängten selbst jetzt in ihr hoch und verlangten von ihr, dass sie die Waffe sinken ließ und ihn darum bat, ihr zu erklären, was sie da gesehen hatte, damit das alles einen Sinn ergab. Und sie würde vermutlich alles glauben, was Lucan ihr erzählte.
Sam ließ langsam die Waffe sinken und trat einen Schritt zurück. »Nein.«
»Ich werde dich nicht davon abhalten. Du kannst Alex und ihren Geliebten retten. Die Kyn werden dir dankbar sein.« Er breitete die Arme aus. » Erschieß mich .«
»Ich kann nicht.« Sie wandte sich ab und flüsterte den Rest. »Ich glaube, ich liebe dich.«
21
Sam lief blind zur Treppe und die drei Stockwerke bis zur ihrer Wohnung hinauf. Als sie dort war, starrte sie auf die Tür, die sie nicht öffnen konnte. Lucan hatte ihre Schlüssel. Er hatte alles.
Dann war er da, griff an ihr vorbei, zerbrach den Knauf, als er das Schloss mit Gewalt öffnete und seine samtüberzogene Hand sie hineinstieß.
»Sag das noch mal.« Er drängte sie ins Wohnzimmer, umschloss mit samtenen Griff ihre Kehle, der genauso unbarmherzig war wie der Ausdruck in seinem Gesicht. Irgendwo zersprang Glas. »Sag es mir ins Gesicht. Sag es, sodass ich dich diesmal richtig hören kann.« Er schüttelte sie, und Sam hörte ein ominöses Knacken. »Sag es.«
Warum war er so wütend? »Ich liebe dich.« Jetzt würde er lachen und aus ihrem Leben verschwinden und noch mehr Monster töten, und sie würde niemals verstehen, was er war.
»Du liebst mich.« Er ließ sie los und umkreiste sie, betrachtete sie von allen Seiten, als versuche er zu entscheiden, wo er zuerst zubeißen sollte. »Das ist schlicht und ergreifend nicht wahr, Samantha. Du jagst menschliche Mörder. Du steckst sie ins Gefängnis. Du rächst ihre Opfer. Du kannst den Tod nicht lieben.«
Sein Duft veränderte sich, wurde heiß und beinahe rauchig, so als hätte jemand Jasmin aus dem Boden gerissen und in ein Feuer geworfen.
»Du tötest keine Menschen.« Sie schloss die Augen und wollte, dass er verschwand, doch als sie die Augen wieder öffnete, war er noch immer da.
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