Darkyn: Für die Ewigkeit (German Edition)
Realm.«
»Vielen Dank, dass du uns aufnimmst, mein Freund.« Michael schüttelte ihm die Hand. »Wir freuen uns auf das Turnier.«
Nur ein unsterblicher Expriester wie Michael, dachte Alex und versuchte, wieder sauer auf ihn zu sein, konnte sich darauf freuen, einem Haufen Männer dabei zuzusehen, wie sie sich gegenseitig zu Brei schlugen. Das Merkwürdige war, dass sie nicht sauer war. Oder wütend oder nervös. Die bloße, nackte Panik war verschwunden, und wenn sie jetzt noch überhaupt irgendetwas empfand, dann Zufriedenheit und eine merkwürdige Freude – etwas, das sie seit ihrer Rückkehr aus Irland nicht mehr gefühlt hatte. Byrnes Duft hatte, wie sie von Michael wusste, einen beruhigenden Effekt sowohl auf Menschen als auch auf die Darkyn. Vielleicht wirkte er bei ihr auch wie ein Beruhigungsmittel.
Aber was zur Hölle hatte er vorher mit ihr gemacht, als sie sein Gesicht blutüberströmt gesehen hatte?
»Eure Anwesenheit wird die Kämpfer anspornen.« Byrne wandte sich dem dünnen, dunkelhaarigen Mädchen zu, das zu seiner Linken stand. »Lady Alexandra, darf ich Euch meine Seneschallin vorstellen? Das ist Jayr.«
Das Mädchen trat vor und streckte die Hand aus, anstatt sich zu verbeugen. »Es ist mir ein Vergnügen, Mylady.«
»Alex, bitte. Ich war schon als Mensch keine Lady.« Alex atmete ein und unterdrückte ein Stöhnen. Jayrs Duft erinnerte sie an die großen, warmen, mit Zuckerguss überzogenen Zimtschnecken, die sie im Einkaufszentrum immer gegessen hatte.
»Wenn Ihr während Eures Aufenthaltes irgendetwas benötigt, Mylord«, sagte Jayr zu Michael, während sie ihm etwas in die Hand drückte, »dann müsst Ihr nur auf die Zwei drücken. Es gibt auch eine Funktaste, mit der Ihr direkt mit mir verbunden seid.«
»Danke«, erwiderte Michael und steckte das ovale Gerät ein, das sie ihm gegeben hatte.
Während Jayr Michael und Philippe Byrnes Männer vorstellte, eine der Zeremonien, die immer durchgeführt wurden, wenn ein Kynlord das Territorium eines anderen betrat, betrachtete Alex Byrnes Seneschallin.
Jayrs Kleidung, die offenbar für einen jungen Mann gemacht war, ließ sie noch schlanker aussehen, als sie es ohnehin schon war. Sie hielt sich anders, als eine Frau es getan hätte, stellte die Füße weiter auseinander, hatte die Arme leicht gebeugt, die Schultern zurückgenommen. Das kurze Haar, die geraden Hüften und die fast flache Brust verstärkten den Eindruck, dass sie ein junger Mann war, doch die großen Augen und die vollen Lippen waren sehr weiblich.
Ist das Mädchen ein Zwitter?, fragte sich Alex.
Fälle, in denen Menschen mit den Sexualorganen beider Geschlechter geboren wurden, waren zwar selten, kamen aber durchaus vor. Zu Jayrs Zeit hatte es keine Hormontherapie oder Geschlechtsumwandlungen gegeben, um ihr zu helfen, das eine oder das andere zu werden. Abgesehen von den großen Augen, den weichen Lippen und dem langen weißen Hals wies ihr Körper keine geschlechtsspezifischen Charakteristiken auf. Sie hätte ein hübscher Junge oder ein jungenhaftes Mädchen sein können.
»Mylady?« Jayr deutete auf den Torbogen, der in die Burg führte. »Sollen wir reingehen?«
Alex wurde klar, dass sie auf den Busen des Mädchens starrte. »Äh, sicher. Du gehst voraus.«
Die Reise nach Amerika war kurz, aber unbehaglich für eine Gruppe der Darkyn-Turnierteilnehmer gewesen. Durch den unablässigen Eifer der Brüder aus Italien vertrieben, konnte die Gruppe nicht voraussehen, wie man ihre Art in der neuen Welt empfangen würde. Da sie seit fünf Jahrhunderten keinen Kontakt zu anderen Kyn gehabt hatten, folgten sie nicht länger dem strengen Protokoll und den Verhaltensregeln der Vergangenheit. Viele waren noch nie einem anderen Kyn außerhalb ihrer abgeschiedenen Gruppe begegnet. Diejenigen der Exilanten, die noch das alte Regime kannten, legten keinen Wert mehr auf das, was sie schon so lange hinter sich gelassen hatten. Alle wussten, dass dieses Turnier ihre Rettung oder ihre Ausrottung bedeuten konnte.
Deshalb kamen sie leise und schweigend in das Realm, um zu sehen, wie es sein würde.
Die Geräusche, die von unten heraufdrangen, ließen einen der Exilanten ans Fenster treten. Dort stand er und blickte auf einen Teil der Garnison, die bewaffnet Aufstellung genommen hatte, um sich zu präsentieren. Eine subtile Aura der Macht und des Selbstbewusstseins umgab einen großen, dunkelhaarigen Mann. An der ehrerbietigen Haltung der anderen Kyn erkannte man, dass er der Mann
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