Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)
damit.«
Die würde sie bald haben. »Die Toten sind mein Geschäft.«
3
Thierry Durand wusste, dass er wahnsinnig war.
Sein Zustand machte ihm keine Angst. Dadurch hatte er einen Ort auf der Welt und eine Aufgabe. Keine Schlacht wurde jemals von völlig normalen Männern gewonnen. Jede große Familie hatte ein oder zwei Irre aufzuweisen; jedes Dorf hatte einen Trottel. Er war nie von etwas bezwungen worden, weder von den Sarazenen noch von den Brüdern oder der verrückten Frau, die er geliebt hatte. Er würde sich dem Wahnsinn nicht ergeben.
Er würde ihn überleben …
Er schob eine Hand unter die zerfetzten Überreste seines Hemdes. Aus den Wunden an seinem Bauch und seinen Rippen floss kein Blut mehr, aber sie schlossen sich nicht. Es waren zu viele, und sie waren ihm zu schnell hintereinander zugefügt worden. Wenn er nicht wollte, dass seine Gedärme herausquollen und sich über die Straße verteilten, dann musste er jagen.
Jagen, wo er der Gejagte war.
Er hatte einigen Abstand zwischen sich und den toten Verbrecher gebracht und sich etwas sicherer gefühlt, aber er konnte nicht blutverschmiert und nach Abfall stinkend in diesem Teil der Stadt herumlaufen. Die sich drehenden roten und blauen Lichter der Polizeiautos hatten ihn im Schatten dieser kleinen Gasse Schutz suchen lassen, und innerhalb weniger Augenblicke wurden es immer mehr. Erst da hatte er entdeckt, dass es sich um eine Sackgasse handelte und dass er in der Falle saß. Während er kampfbereit an der Wand lehnte, war die Polizei vorbeigefahren. Es dauerte einen Moment, bis ihm klar wurde, dass sie nicht hinter ihm her waren.
Als die Straße wieder frei war, schob sich Thierry an der Wand entlang, um einen Blick zu riskieren. Die schwarz-weißen Autos hatten sich mit immer noch blinkendem Blaulicht vor einem hohen, eleganten Gebäude am anderen Ende der Straße versammelt. Es musste ein schlimmes Verbrechen passiert sein, wenn sie mit so vielen Leuten anrückten, aber sie waren nicht seinetwegen gekommen. Ein paar Polizisten sperrten das Gebäude ab, andere gingen an der Straße auf und ab und sprachen mit den Leuten, die aus anderen Häusern kamen.
Wenn er jetzt aus der Gasse trat, würde man ihn entdecken. Sie würden ihn nicht befragen. Sie würden sehen, wie blutig und verdreckt er war, und versuchen, ihn zu verhaften. Oder ihn erschießen. Er konnte nicht riskieren, von Menschen angegriffen zu werden, nicht in seinem derzeitigen Zustand.
Er würde warten müssen, bis sie weg waren.
Thierry setzte sich hinter einen Haufen zusammengefalteter Kartons und beobachtete die Ratten, die vor dem Licht Schutz suchten. Genau das brauchte er jetzt auch: ein Haus oder ein Geschäft, in dem er sich waschen und ausruhen konnte und nicht von menschlichen Augen gesehen wurde. Aber hier, in Chicago, lebten die Leute so, als wäre jeder Tag ihr letzter. Sie ließen keine Türen unverschlossen, keine Fenster geöffnet.
Die Stadt war wie eine Faust, die zu fest zusammengedrückt wurde.
Thierry war schwindelig und kalt. Er schloss die Augen und legte einen Arm schützend über seinen Bauch. Mit der anderen Hand zog er seinen Dolch. Seine Hand fühlte sich leer an ohne das Messer, und er konnte nicht schlafen, ohne es zu halten. Er hatte viele Dolche in seinem langen Leben besessen, aber dieser war etwas ganz Besonderes für ihn. Es war ein Geschenk von Tremayne gewesen, der ihm vor zweihundert Jahren gezeigt hatte, wie man ihn benutzte, nachdem Thierry und Michael ihm geholfen hatten, aus Rom zu entkommen.
Wenn du gefangen wirst, und es gibt keine Hoffnung auf Rettung, stich hier hinein. Thierry konnte noch immer die Berührung von Tremaynes entstellter Hand an seinem Nacken spüren. Ein schneller Schnitt, der das Rückenmark durchtrennt. Es ist das Gleiche wie eine Enthauptung.
Thierry hätte das getan, als ihn die Brüder in Frankreich gefangen nahmen, aber er hatte mit seiner Frau Angelica geschlafen, und das war der einzige Zeitpunkt, zu dem er nackt und ohne Waffen war.
Sie hatte das gewusst. Sie hatte es ihnen gesagt.
Nur das Ziel, nach Chicago zu kommen und die Männer zu suchen, die Luisa Lopez überfallen hatten, hielt ihn davon ab, ganz im Wahnsinn zu versinken. Er war des Englischen mächtig, deshalb hatte er, als er die Akte öffnete, lesen können, was dem Mädchen passiert war. Luisa war von den Brüdern gefoltert worden. Cyprien würde das nicht wissen; er hatte nicht gesehen, mit welchen sadistischen Methoden die Mönche
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