Darkyn: Im Bann der Träume (German Edition)
drinnen, aber es war nichts zu hören. Leise drückte er mit der Hand gegen die vom Frost beschlagene Fensterscheibe und schloss die Augen, um den Schnee nicht mehr zu sehen, der um ihn herum fiel.
Wo bist du, kleine Katze? Er hatte seit New Orleans seine Gabe nicht mehr benutzt, um nach einem Menschen zu suchen, den er nicht kannte. Dort war er so tief in den Wahnsinn versunken gewesen, dass er sich nicht daran erinnern konnte, in das Bewusstsein der Priester eingedrungen zu sein. Jema war anders als alle anderen Menschen, denen er sich genähert hatte; ihre Krankheit machte es zwingend notwendig, sie nicht zu verletzen. Schläfst du? Träumst du gerade?
Wenn Thierrys Gabe ein menschliches Bewusstsein zum ersten Mal berührte, erfasste es sein eigenes Bewusstsein mit Farben. Ein silberner Schimmer erschien in seinem Kopf, als er sie fand, tief schlafend, aber noch nicht träumend.
Da . Für den Rest würde er sie berühren müssen.
Die Klinge glitt in den Spalt. Thierry hob den Haken aus der Öse und schob dann die Tür einige Zentimeter auf. Jetzt konnte er ihren leisen Atem hören, das leise Klopfen ihres Herzens. Er zog seinen geliehenen Mantel aus, ließ ihn und den Schnee, der ihn bedeckte, auf dem Balkon zurück und schlüpfte hinein.
Anders als in den anderen Räumen fanden sich in diesem Zimmer keine Insignien des Reichtums. Man hatte Jema ein paar alte Möbelstücke gegeben, deren Farbe abblätterte und deren Holz im Laufe der Jahre zerkratzt und fleckig geworden war. Zwei bauchige Öllampen, von der Art, wie er sie seit einem Jahrhundert nicht mehr gesehen hatte, standen da und waren so kalt und dunkel wie das Zimmer. Er konnte riechen, dass ein paar Kerzen gebrannt hatten, die armselig parfümiert waren, um den Duft richtiger Blumen zu imitieren. Kein Holz im Kamin; kein Feuer, um sie zu wärmen. Selbst die Spitzengardinen wirkten vergilbt und alt.
Die Schäbigkeit des Zimmers machte ihn wütend. So behandelten sie die Tochter des großen Dr. Shaw? Wie eine arme Verwandte, die in eine Dachkammer verbannt war?
Thierry ging zum Bett hinüber. Es war auch schmal, und alles, was die schlafende Frau bedeckte, waren ein Laken und eine fadenscheinige, geflickte Decke. Sie hatte sich darunter zusammengekauert und bewegte sich nicht, abgesehen von dem Heben und Senken ihres Brustkorbs. Eine Hand lag mit der Handfläche nach oben neben ihrer Wange, die andere hatte sie unter der Decke bis ans Kinn geschoben.
Sie schläft sogar wie eine Katze. Zärtlichkeit übermannte ihn, als er sich hinunterbeugte, um die Decke ein wenig zurückzuziehen. Sie trug ein Nachthemd aus einem weichen Material, auf das winzige blaue Blumen gedruckt waren. Ein kurzer Zug an einer elfenbeinfarbenen Schleife öffnete den Kragen und gab ihren dünnen Hals seinen Blicken preis.
Da, unter der zarten Haut, tanzte ihr Lebenspuls.
Bei diesem Anblick schossen Thierrys dents acérées aus seinem Kiefer, und sein Hunger schwoll an. Bevor er Jema in der Gasse begegnet war, hatte er wochenlang keine Frau berührt, nicht seit er bei Cypriens Sygkenis die Kontrolle verloren hatte. Er traute sich selbst nicht mehr, deshalb hatte er sich während seiner Reise nach Chicago ausschließlich von Männern ernährt. Bei ihnen bestand nicht die Gefahr, in Entrückung zu geraten.
Von Jema gekostet zu haben, brachte die Erinnerung zurück, wie es sich anfühlte, eine Frau unter den Händen zu haben. Zu hören, wie sie leise aufstöhnte, wenn er sich nahm, was er brauchte. Ihr das wenige zu geben, das er ihr als Gegenleistung anbieten konnte …
Das war nur vorgespielt, Darling . Angelicas Geist tätschelte seine Wange. Alles Teil der Folter.
Thierry würde niemals wieder einer Frau vertrauen. Aber Jema ist ein Mensch, keine Darkyn. Und sie ist krank. Solange wir nur zusammen träumen …
Thierry legte drei Fingerspitzen an ihren Hals. Als er die Augen schloss, war da die silberne Farbe in ihrem Bewusstsein, die wie Mondlicht auf dem Wasser glänzte und sich vertiefte, als sie auf seine Gabe reagierte und über die dunkle Grenze ins Reich der Träume trat.
Thierry folgte ihr und wartete, bis ihre Träume Gestalt annahmen, denn nur dann konnte er ein Teil davon sein. Farben und Licht fluteten seinen Geist, fingen an, sich nach Jemas Wünschen zu formen. Es war am Anfang immer befremdlich, so ganz im Dunkeln zu stehen, um sich dann wiederzufinden in …
Jema Shaws Schlafzimmer.
Anders als das träumende Mädchen war Thierry noch immer wach und sich
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