Darkyn: Ruf der Schatten (German Edition)
sich duscht « , fuhr sie ihn an. »Dann hat er eben ein bisschen gestunken. Wen interessiert’s ?«
»Und hast du seinen Duft wahrgenommen, nachdem er geduscht hatte ?«
»Er hat nach gar nichts gerochen. Nur frisch und sauber und … « Sie verstummte und starrte in das besorgte Gesicht ihres Geliebten. »Und nichts sonst. Ich konnte ihn nicht riechen. Sein Duft ist verschwunden. Was bedeutet es, wenn wir ihn nicht riechen können ?« Sie griff nach seinem Arm. »Verdammt, Michael, sag es mir .«
»Es bedeutet entweder, dass dein Bruder tot ist « , sagte Michael langsam, »oder dass er verrückt geworden ist .«
15
Valentin trug Lilings Tasche und das Blut in die Hütte. Er legte die Blutbeutel in den Kühlschrank, bedeckte sie mit einigen Handtüchern und stellte ein paar Dosen Soda davor. Er hatte vor, Liling zu sagen, was er war, wenn es ihr wieder besser ging, aber bis dahin war es weiser, bestimmte Tatsachen seiner Existenz vor ihr zu verbergen.
Er blickte auf die tropfende Tasche. Sie beide hatten große Geheimnisse, die sie voreinander verbargen. Er wollte, dass sie seines erfuhr – sie musste es wissen – , aber vertraute sie ihm genug, um ihm ihres zu gestehen?
Er ging in den vorderen Raum, aber es lag nur die Decke auf der Couch, und Liling war nirgends zu sehen. Er ging ins Bad und dann ins Schlafzimmer, aber er konnte sie nicht finden. »Liling ?«
Valentin atmete ein und ignorierte den Geruch des Propangases aus dem Kamin, um ihren Duft aufzuspüren. Er war sehr leicht, nur ein Hauch von warmen Pfirsichen, aber sie war hier in der Hütte. Er folgte ihrer Spur aus dem Schlafzimmer zurück zur Couch. Für einen Moment glaubte er, dass er von der Decke kam, die er um sie gewickelt hatte, aber dann hörte er ihr Herz darunter schlagen.
Vorsichtig hob er das eine Ende der Couch an und sah ihre schmale Gestalt. Sie war daruntergekrochen, um sich zu verstecken.
»Da bist du ja .« Er kniete sich hin und zog ihr die Hände vom Gesicht. »Warum bist du unter der Couch? Ich weiß, die Kissen sind durchgesessen, aber sie müssen bequemer sein als der Boden .«
»Ich habe gehört, was der Pilot gesagt hat, bevor er auf dich geschossen hat « , sagte sie mit zitternder Stimme. »Er sagte: ›Das Mädchen muss sterben‹, und ich war das einzige Mädchen an Bord. Er wollte meinetwegen das Flugzeug abstürzen lassen. Du wärst fast ertrunken. Das wäre alles nicht passiert, wenn ich Chicago allein verlassen hätte .«
Jaus hob sie hoch und setzte sich mit ihr auf die Couch, hielt sie auf dem Schoß. »Hast du den Piloten eingestellt? Hast du i hm die Waffe gegeben? Hast du mich bewusstlos geschlagen ?«
»Nein, aber – «
»Kein Aber .« Er legte ihr einen Finger auf die Lippen. »Du hast nichts davon getan. Du bist nicht für das hier verantwortlich, Geliebte. Es ist einfach passiert, und wir hatten das Glück, dass wir überlebt haben .«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich hätte es wissen müssen. Ich hätte … damit rechnen müssen .«
»Hast du deswegen so viel Geld dabei und Verkleidungen und falsche Ausweise ?« Bevor sie antworten konnte, sagte er: »Ich habe deine Tasche gefunden. Wovor läufst du weg, Liling ?«
Sie wurde blass. »Ich kann es dir nicht sagen. Es ist zu gefährlich .«
Jaus überlegte, ob er sie dazu zwingen sollte, die Wahrheit zu sagen, aber sie zitterte und hatte Angst. Er nahm die Decke und wickelte sie darin ein. »Also gut. Wenn du bereit bist, mir zu vertrauen, dann sagst du es mir hoffentlich .«
Er saß da und hielt sie fest, bis ihr Körper zur Ruhe kam und sie wieder normal atmete. Er dachte, sie würde schlafen, bis ihre Hand die Narbe an seinem Arm berührte. Das warme Gefühl ihrer Finger an seiner Haut nahm ein bisschen von dem Gefühl der Unbeweglichkeit, die von der langen Inaktivität des Arms übrig geblieben war.
»Tut er noch weh ?« , fragte sie.
»Ein bisschen .« Er küsste ihr Haar. »Ich bin sehr dankbar dafür, dass du mich geheilt hast .«
Sie versteifte sich. »Ich habe nichts getan .«
Er hielt sie ein Stück von sich und blickte auf ihr gesenktes Gesicht. »Mein Arm war jahrelang nutzlos. Die Ärztin, die ihn wieder angenäht hat, sagte, dass er immer so sein würde. Trotzdem habe ich wieder und wieder versucht, ihn zu bewegen und zu zwingen, wieder zu funktionieren, aber ohne Erfolg. Dann hast du mich berührt – hast meine Narbe geküsst – , und ein paar Stunden später konnte ich ihn wieder bewegen. Das warst du .«
»Ich habe
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