Darkyn: Versuchung des Zwielichts (German Edition)
gewaschen und in frische Tücher gehüllt, und Hunderte Eimer stehendes, stinkendes Grundwasser weggetragen.
Er wusste nicht, was hinter der Tür lag, aber er war erschöpft. Er hätte nicken sollen, als der Lehrmeister ihn fragte, ob er aufhören wollte.
Orsini blieb vor der Tür stehen und wandte sich zu ihm um. »Dies ist deine letzte Prüfung, Bruder Keller.«
John hätte auf die Knie fallen und weinen können. Der Lehrmeister hatte ihm versprochen, dass seine Ausbildung nach der letzten Prüfung abgeschlossen sein würde. Stattdessen nickte er vorsichtig.
»In diesem Raum befindet sich das, was allen Brüdern gegenübersteht: das Böse. Einer der Maledicti , die zwischen uns und der Erlösung stehen. Du wirst glauben, er sei ein Mensch. Er sieht aus wie wir und redet wie wir. Du kannst dich mit ihm unterhalten, mit ihm streiten oder dich ihm ergeben.« Orsini hielt ihm das vertraute Kruzifix hin, das alle Brüder trugen. Das Kreuz und die Kette, an der es hing, waren aus purem Kupfer gefertigt. »Oder du verbannst ihn und das Böse in ihm von dieser Erde, sodass er sich nicht mehr von den Lebenden ernähren und Gottes Kinder nicht mehr mit seinen bösen Absichten vergiften kann. Du hast die Wahl.«
John nahm das Kruzifix in die Hand und wollte es sich um den Hals legen. Dann erinnerte er sich an die Schlagringe der Knochenbrecher in Chicago und wickelte sich die Kette vorsichtig um die Finger.
Orsini schob die Riegel an der Tür zurück und öffnete sie. »Gott sei mit dir, Bruder.«
John trat ein und ließ den Blick durch den Raum schweifen. Er murmelte ein Vaterunser, nicht aus Gewohnheit, sondern aus Angst. »Vater unser, der du bist im Himmel, geheiligt werde dein Nam e … «
Der Raum war leer, abgesehen von einem nackten Mann, der in einer Ecke saß. Der Mann erhob sich und sagte etwas mit tiefer, angestrengter Stimme.
Spanisch , dachte John. Er spricht Spanisch, kein Italienisch.
Jetzt, da John seinem letzten Gegner gegenüberstand, wusste er nicht, ob er tun konnte, was man ihm aufgetragen hatte. Die Brüder glaubten, dieser Mann wäre ein Vampir, und hatten sich viel Mühe gegeben, John davon zu überzeugen, dass solche Kreaturen existierten.
Aber das hier war nur ein Mensch. Ein nackter Mensch mit getrocknetem Blut am Körper und einem flehenden Ausdruck in den Augen.
» Qué quieres usted? «, wiederholte der Gefangene.
»Sprechen Sie Englisch?«, fragte John. Es war so lange her, dass er laut gesprochen hatte, dass die Worte heiser und trocken klangen.
»Ja.« Der Mann blickte an John herunter. »Du blutest, Amigo.«
Durch das Gehen waren die Schrunden aufgerissen; deshalb waren seine Füße noch nicht geheilt. Dein Reich komme, dein Wille geschehe. John blickte auf das Blut auf dem Boden und dann wieder zu dem Gefangenen, der sich die trockenen Lippen leckte. »Du willst mein Blut?« Im Himmel wie auf Erden .
Unglaublicherweise nickte er. »Davon lebe ich.«
Unser täglich Brot gib uns heute. John umklammerte das Kruzifix so fest, dass die Kanten in seine Haut schnitten. »Du glaubst, du bist ein Vampir?«
Die dunkelbraunen Augen des Gefangenen blickten ihn traurig an. »Diese Männer haben dich nicht belogen. Ich bin ein Darkyn.«
Und vergib uns unsere Schuld. »Du bist genauso verrückt wie sie.« John machte einen Schritt in Richtung Tür und zögerte dann. Der Geruch der Toten war verschwunden, und etwas anderes erfüllte die Luft. Etwas Weiches und Subtiles und Verlockendes.
»Lass mich hier nicht allein, Amigo«, sagte der Mann ganz zaghaft. »Wir können einander helfen.«
Wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. John drehte sich langsam um und sah den Gefangenen an. Er bewegte sich auf ihn zu und streckte ihm flehend die Hände entgegen.
»Du hast Schmerzen, und ich habe Schmerzen«, fuhr der Mann mit beruhigender Stimme fort. »Wir müssen nicht so leiden. Ich kann dich heilen, und du kannst mir helfen zu entkommen. Es gibt noch so viel mehr auf der Welt als dieses endlose Beten und die Entsagung.«
Und führe uns nicht in Versuchung. John schüttelte den Kopf und wich zur Tür zurück.
»Hab keine Angst.« Seine Worte klangen jetzt gelallt, so als wäre der Gefangene betrunken. »Ich kann dir den Schmerz nehmen, dir geben, was dir so lange vorenthalten wurde. Ich bitte dich dafür nur um meine Freiheit.« Er kam ganz nah und berührte Johns Wange. »Sie haben dich gefoltert, als wärst du einer von uns, ja?«
Was Orsini ihm angetan hatt e – es war Folter
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