Darling, fesselst du schon mal die Kinder?: Das heimliche Tagebuch der Edna Fry
Abenteuerspielplatz.
Alles in allem war es eine wirklich wohltuende kulturelle Horizonterweiterung. Das nächste Mal wollen wir ins Otterschutzgebiet von Dame Judi Dench fahren.
9. Mai, Montag
Frage mich langsam, wo Stephen bloß abgeblieben ist. Es muss jetzt über zwölf Stunden her sein, dass er zu seiner Taxischicht aufgebrochen ist. Und keine Spur von ihm!
10. Mai, Dienstag
Sechsunddreißig Stunden. Es ist zwar nicht das erste Mal, aber wenn er nicht bald auftaucht, fang’ ich glatt an, mir Sorgen zu machen.
11. Mai, Mittwoch
Heute ist mein Buch angekommen. Meine Güte, ist das ein staubiger alter Schinken! Ich hab’ schon mal ein bisschen drin geblättert. Es scheint eine Art edwardianische Liebesfibel zu sein – weiß der Himmel, wie Mrs. Winton auf die Idee kommt, so etwas könne Stephen interessieren. Im Vorwort steht, es stamme von dem gefeierten Autor von
Das Jahr, in dem wir nur spazieren gingen
und
Einhunderteins Dinge über die Fortpflanzung, die Sie noch nie gehört haben – und das zu Recht.
Jede Seite enthält detaillierte Schaubilder sowie Erläuterungen, wie man die illustrierte Stellung nachahmen kann, ohne sich oder seinen Partner zu verletzen, und jede hat eine Überschrift wie »Der gespaltene Bambus«, »Die unerschöpfliche Freundlichkeit« und ganz am Ende »Das schwebende Erbeben«. Wenn Stephen heute Abend zurückkommt, möchte ich ihm S. 46 vorschlagen: »Die querstehende Laute« …
12. Mai, Donnerstag
Jetzt sind es vierundsiebzig Stunden. Und nicht mal eine SMS. Ich könnte natürlich mal diese Twitterkiste prüfen, vielleicht hat er da ja erwähnt, wo er hin ist. Aber eigentlich weiß er, dass ich da nicht mitmache, warum sollte er sich also die Mühe machen?
Also laut @StephenFry ist er zur Eröffnung des neuen Museum of Modern Aesthetics nach New York geflogen.Den gestrigen Abend will er in einer Inszenierung von
Tosca
in der Metropolitan Opera verbracht haben, und morgen ist er bei Dreharbeiten zu einer Dokumentation des Lebens von George Gershwin. Lachhaft. Aber warum tu’ ich mir das auch an? Weiß der Geier, wo er wirklich hin ist; wahrscheinlich bei der Trutsche in Nummer 38 eingezogen. Wozu soll dieses Twittern bloß gut sein, wenn man sich da doch bloß alles aus den Fingern saugt? Kommt man doch glatt auf die Idee, sein wirkliches Leben wäre ihm nicht gut genug. Ich meine, wenn hier irgendwer das Recht hat, sich online so ein Phantasieleben einzurichten, bin ich das doch wohl; wäre garantiert toller, als mir die Nächte mit der Frage um die Ohren zu hauen, wo er sich rumtreibt. Moment mal, ich glaub’, genau das mach’ ich! Warum denn nicht? Wenn Millionen von Leuten bereit sind, sein hirnverbranntes Gefasel zu lesen, dann können sie auch meins lesen. Also auf sie mit Gebrüll! Frisch gewagt ist halb gewonnen. Ich richte mir sofort einen Account ein. Fragt sich bloß, wie ich mich nennen soll.
13. Mai, Freitag
Ich hasse dieses Datum. Stephen ist ja so abergläubisch, der ist dann immer den ganzen Tag lang ein Nervenbündel. Am letzten Freitag den 13. steckte er den ganzen Tag im Pub fest, weil das Schild frisch gestrichen wurde und er beim Rausgehen unter der Leiter hätte durchgehen müssen. Armes Hascherl, egal wo er ist.
14. Mai, Samstag
Hab’ die halbe Nacht wach gelegen und über einem guten Twitter-Namen gegrübelt. @unermüdlichsichaufopferndeehefrauundmutter, @kultivierteattraktiveunderstaunlichbelesenedame sowie @weltklasseköchinundkulturkennerin waren schon vergeben, also habe ich mich am Ende für den Namen entschieden, der mein Leben am besten auf den Punkt bringt – @MrsStephenFry. Jetzt muss ich nur noch überlegen, was ich schreiben könnte beziehungsweise »twittern«, wie das peinlicherweise genannt wird.
15. Mai, Sonntag
Mir ist noch immer nichts eingefallen. Dieser Mikroblogging-Quatsch ist schwerer, als man meinen sollte. Ich finde es wahnsinnig schwer, das, was ich sagen will, in maximal 140 Zeichen unterzubringen. Ich sollte anfangen zu üben. Vielleicht geht das ja hier im Tagebuch …
16. Mai, Montag
Liebes Tagebuch, das ist mein erster experimenteller 140-Zeichen-Eintrag. Ich hoffe bloß, das reicht, um das unglaublich aufregende Ereignis
17. Mai, Dienstag
Anscheinend nicht. Ich darf wohl keine Zeichen für »Liebes Tagebuch« verschwenden. Dann reicht der Platz vielleicht, um das außerordentliche
18. Mai, Mittwoch
Puh, ich glaub’, ich krieg’ den Dreh nicht raus.
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