Darling, fesselst du schon mal die Kinder?: Das heimliche Tagebuch der Edna Fry
Frühstücksbuffet, darüber thront eine gewaltige Skulptur des Meergotts Neptun, der einen Dreizack aus hiesigen Käsespezialitäten, Kochfleisch und anderen Überresten des Frühstücks von gestern schwingt.
Stephen hat die Kinder schon für den Spaßclub für Minderjährige angemeldet, der von Freddie dem Fisch, Tommy der Tüte und Johnny »Schlagring« Jenkins geleitet wird. Schreiend und vor Freude um sich tretend, werden sie jeden Morgen abgeholt und genießen die verschiedensten Aktivitäten wie Feuerquallenfühlen, Russisches Dreimeterbrett und »Wer schwimmt am weitesten aufs Meer raus?«. Am meisten freue ich mich auf ihre Darbietung am Ende der Woche:
Midnight Express – Das Musical.
Von den Freuden der Elternschaft befreit, liegen Stephen und ich den ganzen Tag am Pool und bräunen uns. Wobei ich dazusagen muss, dass ich persönlich nie eine große Sonnenanbeterin war. Ich finde, das Sonnen ist ein armseliger Ersatz für erfüllendere Aktivitäten wie beispielsweise sich eine schöne Kanne Tee zu kochen. Bloß gut, dass ich mir am Flughafen Ferienlektüregekauft habe, sonst würde ich mich zu Tode langweilen. Ich war entzückt, als ich dort neben der üblichen anspruchslosen Frauenliteratur auf einen echten Klassiker stieß – die Geschichte einer jungen Biologin, die sich im viktorianischen Zeitalter an die Spitze einer von Männern dominierten Gesellschaft hochkämpft:
Flora und die Faune.
Eine durch und durch fesselnde Lektüre. Bisher hat ihr Vater, der erfolgreiche Industrielle und Großwildjäger Jedwardiah Strobe gedroht, sie ohne einen einzigen Penny zu verstoßen, sofern sie nicht ihre »Stimmrecht für Tiere«-Kampagne aufgibt und ihn auf seine bevorstehende Dodo-Jagdexpedition begleitet.
18. August, Donnerstag
Als ich heute Morgen aufwachte, hörte ich vertrautes Regenrauschen. Wir suchten im Fernseher nach einem Wetterbericht, aber da kam nur eine
Columbo- Dauer ausstrahlung
. Zum Glück verfügt der Komplex über jede Menge Indoor-Angebote: den Zimmerservice, die Minibar …
19. August, Freitag
Heute Abend haben die Kinder ihre große Show. Sie haben die ganze Woche lang geprobt. Ein Jammer, dass wir nicht dabei sein konnten, aber in der laufenden Folge freundet sich Columbo mit dem großen Actionfilmstar an, nur um zu entdecken, dass der seinen eigenen Stuntmanermordet hat. Das muss man sich mal vorstellen: Er hätte ungestraft davonkommen können, wenn er nicht versucht hätte, durch den Sprung in die Schlucht zu fliehen.
20. August, Samstag
Beim Frühstück saßen wir heute mit den Middlesmiths an einem Tisch, einer reizenden Familie aus Tunbridge Wells, die gerade erst angekommen sein kann. Adrian ist Anlageberater und seine Frau Samantha Chiropraktikerin, oder wie sie es ausdrücken: Er lenkt die Knete, und sie knetet die Gelenke. Stephen fand das genauso zum Brüllen wie ich, nachdem ich ihm erklärt hatte, was eine Chiropraktikerin ist. Und was ein Anlageberater macht. Ihre Kinder waren einfach bezaubernd, wenn auch vielleicht nicht so kontaktfreudig wie unsere. Leider muss ich sagen, dass ihre Tischmanieren unseren Kindern Schande machen. Sheldon und Maisy scheinen instinktiv zu wissen, wann man welches Besteck benutzt – das heißt, sie
benutzen
Besteck.
Ich fürchte, Stephen und ich sind nicht die Sorte Mensch, die im Urlaub Freundschaften schließt. Man kommt so leicht ins Plaudern mit einem Paar, das auf den ersten Blick ganz sympathisch ist, und dann merkt man plötzlich, dass man diese sich anwanzenden, dickfelligen Langweiler den ganzen Urlaub nicht mehr los wird. Aber bei Adrian und Samantha wusste ich auf Anhieb, dass das nicht der Fall sein würde. Mehr noch, kaum hatten wir das Frühstück beendet, schlug ich vor,wir sollten uns morgen Abend beim Grillfest treffen. Ich muss schon sagen, so langsam macht sich dieser Urlaub!
21. August, Sonntag
Waren heute Abend beim Grillfest. Alle haben sich herrlich amüsiert – alle bis auf Adrian und Samantha, die es vergessen haben müssen. Obwohl ich sie heute Morgen beim Frühstück extra noch mal erinnert hatte. Und beim Mittagessen. Und ihnen am Nachmittag ein paar Zettel hatte zukommen lassen. Es ist mir schleierhaft, wo sie auf einmal hin sind. Ich hoffe bloß, sie sind nicht krank geworden – ich glaube nämlich, ich habe ein ganz leises Husten gehört, als ich ihnen den fünften Zettel unter der Tür durchgeschoben habe.
22. August, Montag
Ich verstehe nicht, warum Stephen seinen Laptop
Weitere Kostenlose Bücher