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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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« Danach fuhr ich sie zum Bahnhof.
    Es war nur normal, dass Tante Mame bei der Sommerkolonie auf Long Island sehr willkommen war. Und im Laufe des Monats Juli wurden wir beide häufig zum Essen eingeladen. Eine nette grande dame erwirkte für uns sogar den Zutritt zum örtlichen Beach Club; nach nur einem Tag mit den Kindern am Strand jedoch erhielt Tante Mame ein Schreiben der Stadtverwaltung: » Sie und Ihr Neffe « , fing der Brief an, » sind jederzeit gern gesehen. Was aber die Kinder betrifft… « Wir ließen uns nie wieder blicken im Beach Club. Einige junge Mütter schickten ihre Sprösslinge sogar zu uns, damit sie mit unserer Brut spielten– es blieb bei einem Mal. Von Juli an waren Tante Mame und ich Parias, berüchtigt im ganzen County.
    Die Stadtbücherei widerrief alle Ausleihrechte nach einer Woche. Fortan gaben sich die Kinder damit zufrieden, die in Kalbsleder gebundenen historischen Werke in Miss Peabodys Bibliothek zu zerfetzen. Aus Lesen machten sie sich sowieso nicht viel. Was Tante Mame » thespische Erbauung « ihrer Schützlinge nannte, war ebenfalls vergebliche Liebesmüh. Eines Abends schickte sie die ganze Bande los, um sich in der Freilichtbühne eine Aufführung von What a Life anzusehen, aber sie waren vor Ende des ersten Akts wieder zu Hause, mit Platzverweis. Der örtliche Drugstore rief zu einem Boykott gegen unsere Sechserbande auf, ebenso die Eisdiele, das Howard Johnson’s, der Spielplatz, die Pizzeria und der Puff. Gern gingen die Kinder ins Kino, aber das Kino mochte die Kinder nicht gern. Als der Kinobesitzer den Gegenwert der Sitze erstattet haben wollte, sagte er zu mir: » Ich weiß, was Sie und Ihre Tante da auf sich geladen haben– und glauben Sie ja nicht, ich würde das nicht bewundern–, aber ich muss auch von etwas leben. Jetzt sehen Sie sich an, was Ihre kleinen Banditen meinen Kinositzen angetan haben: Sie haben sie zerfetzt. Woher soll ich Ersatz kriegen? Wir haben Krieg, wie Sie wissen. «
    Außer für Unterbringung und Verpflegung, Kleidung und die dauernden Bruchschäden kam Tante Mame auch für die weit teureren Arztrechnungen der Kinder auf. Sie wollte unbedingt, dass die Kinder in einem gesundheitlich tadellosen Zustand nach England zurückkehrten, und sie ließ deshalb jeden Sonntag extra einen Arzt aus Stony Brook herüberfahren, um ihre Schützlinge zu untersuchen. Der Arzt hieß Potter, und seine Einstellung, die Kinder betreffend, war wesentlich realistischer als die von Tante Mame. » Verflucht « , wiederholte er ständig, » den Kindern fehlt nichts, was man nicht in einer Todeskammer kurieren könnte. «
    Auch in ihre hässlichen kleinen Mundhöhlen investierte Tante Mame einige tausend Dollar, und es war eine angenehme Pflicht, die Kinder zum Zahnarzt zu begleiten und hämisch ihre Schmerzensschreie hören zu dürfen. Ihre Zähne wurden saniert, der Zahnarzt jedoch machte anschließend die Praxis dicht, mit einundvierzig Jahren ein wund gebissener, geschlagener alter Mann.
    Auf den ersten Schultag freute ich mich wie auf eine zweite Ankunft Christi. Endlich dämmerte der ersehnte Morgen herauf. Fünf Tage die Woche, sieben Stunden täglich garantierter Friede und Ruhe– wenn nicht gerade eines der Kinder mit einer Erkältung daniederlag oder wegen irgendeiner schrecklichen Gräueltat vom Unterricht ausgeschlossen war. An solchen sorgenfreien Tagen durften wir nur die Kinder wecken, das Frühstück kochen, das Mittagessen einpacken, das Frühstücksgeschirr abwaschen, die Betten machen, die Badezimmer schrubben, die neuesten Lästerungen von den Wänden entfernen, Staub wischen und Staub saugen, Lebensmittel bestellen, beim Metzger lieb Kind machen, die Wäsche aufhängen– und faulenzen. In der kalten Jahreszeit durfte ich außerdem noch den Ofen, ein antikes Stück, anheizen, die Asche wegwerfen, die insgesamt zwölf Kamine beschicken, den Schnee schippen, Miss Peabodys Möbel reparieren, soweit das möglich war– und faulenzen. Ich redete mir ein, dass ich es noch nie in meinem Leben so gut gehabt hatte, aber das glaubte ich selbst nicht.
    Und so ging der Winter vorbei. Ginger wurde dreimal von der Schule verwiesen, Enid einmal von einem Polizisten nach Hause gebracht, nachdem sie auf frischer Tat beim Ladendiebstahl im Woolworth erwischt worden war. Margaret Rose entwickelte einen schweren Leberschaden. Albert bekam aus lauter Mitgefühl eine Mandelentzündung, und es war uns ein Vergnügen, die beiden ins Krankenhaus zu bringen, wo

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