Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
Vom Netzwerk:
Winston Churchill Partei für Hitler ergreifen zu lassen. Gladys war mit ihren dreizehn Jahren eine wollüstige kleine Nymphomanin. Edmund, fünfzehn, war ein ausgemachter Gangster mit Mundgeruch und ein schwerer Fall von krankhaftem Geschlechtstrieb. Warum nicht er und Gladys sich gegenseitig Erleichterung verschafften, war mir ein Rätsel, aber das wäre wohl allzu rücksichtsvoll von ihnen gewesen. Edmund verzehrte sich nach Tante Mame, Gladys hatte es auf mich abgesehen.
    Der elfjährige Enid war ein Kleptomane, und immer, wenn irgendwo etwas fehlte, brauchte man nur in Enids Zimmer danach zu suchen. Ginger war ein uneheliches Kind, das die alte Theorie entkräftete, in Liebe gezeugte Kinder seien immer die liebsten. Ich habe ihn nicht ein Mal das Wörtchen » Ja « sagen hören. Albert, mit seinen zehn Jahren, konnte man einfach nur verachten, und seine kleine Schwester Margaret Rose, obwohl noch die Beste der ganzen Bande, war eine chronische Bettnässerin und kein Gewinn.
    Tante Mame ließ sich nicht beirren und blieb bei ihrer Psychologie. Beharrlich behauptete sie, das Verhalten der Kinder würde sich verbessern; mich ließ das kalt. Die Schätze in Miss Peabodys Haus verschwanden schneller, als man hingucken konnte. Das Portraitbild von Sully, Colonel Peabody darstellend, diente als Zielscheibe beim Dartspiel. Einem anderen Bild eines frühen Meisters, das eine gewisse Chastity Peabody zeigte, wuchsen erst ein buschiger Schnauzer, dann ein Vollbart. Jeden Tag hakte ich einen weiteren zu Bruch gegangenen Posten der Inventarliste ab. An ihren besten Tagen schafften die Kinder es auf Schadenswerte bis zu vierzigtausend Dollar, an nicht so guten auf lächerliche dreihundert. So reich Tante Mame auch war, mich packte die kalte Wut. Ihre Ansätze zu einer Farbtherapie waren ebenfalls wenig erfolgreich. Die original Tapeten wurden in jenem Sommer über ein Dutzend Mal überstrichen. Anfangs versuchte Tante Mame, die Kinder für Schönheit zu begeistern, und überließ ihnen die Wahl, in welchen Farben die Wände gestrichen werden sollten. Zum Schluss erwies sich, dass es eigentlich egal war. Als die Wände in hellen Farben leuchteten, kritzelten die Kinder mit Bleistift obszöne Dinge darauf, als sie dunkel waren, bemalten sie sie mit Kreide. Sie schlitzten die Reifen des Kombiwagens mit einem Messer auf, und Tante Mame, die in ihrem Patriotismus alles, was irgendwie nach Schwarzmarkt roch, ablehnte, war hilflos und musste für eine komplett neue Bereifung ein Vermögen ausgeben. Miss Peabodys herrlicher Garten wurde quasi dem Erdboden gleichgemacht. Die mundgeblasenen Glastafeln in den Fensterscheiben verschwanden eine nach der anderen. Die Chippendale-Stühle, die Bänke aus Ulmenholz, die Himmelbetten– alles löste sich auf wie durch Hexerei. In dem Versuch, Gladys von ihren Filmmelodien wegzubringen und ihr etwas von » bleibendem Wert « zu vermitteln, schickte Tante Mame sie zum Klavierunterricht, doch an dem Abend, als sie sich spontan dazu entschloss, uns etwas vorzuspielen, schlug sie die ersten Takte von » That Old Black Magic « auf Miss Peabodys Cembalo mit solcher Wucht an, dass das Instrument in seine Einzelteile zerfiel. Gladys kehrte wieder zu ihren Filmmelodien zurück.
    Der schlimmste Verlust jedoch betraf Ito. Da die Kinder die Nazis bewunderten, erkannten sie in dem sanftmütigen, einfältigen Ito ihren Erzfeind. Sie nannten ihn Tojo und machten ihm das Leben zur Hölle. Einmal fand ich ihn angekettet in der alten Mädchenkammer über der Küche, ein anderes Mal entdeckten die Kinder im Werkzeugschuppen einen Beutel Zement und schütteten ihn in Itos Sukiyaki. Den Rest gab unserem einzigen Diener allerdings der Tag, an dem die Kinder die Hintertreppe mit Margarine einschmierten. Ito erlitt einen dreifachen Beinbruch. Ich setzte mich ans Steuer des Kombiwagens und raste zum Krankenhaus nach Port Jefferson, während hinten auf dem Rücksitz Ito und Tante Mame wimmerten. Es dauerte ein halbes Jahr, bis er wieder bei uns war. Danach gaben sich die Hausmädchen die Klinke in die Hand. Ich erinnere mich an eine Ophelia, eine Delia, eine Celia; Jessie, Bessie und Tessie kamen und gingen gleich wieder; Mary, Margaret, Maude, Madeleine und Maureen schritten durch Peabodys Tor und machten auf der Stelle kehrt. Die Letzte, Anna, hielt es eine ganze Woche aus. Beim Abschied gab sie Tante Mame einen freundlichen Rat: » Sperren Sie die Kinder in die Küche, drehen Sie den Gashahn auf, und gehen Sie raus.

Weitere Kostenlose Bücher