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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Alberts Mandeln und Polypen entfernt wurden– was nur zu einer leichten Verbesserung führte. Dann entwendete Enid eine von Tante Mames Nagelscheren und stach damit auf Ginger ein– es war nicht tödlich. Gegen Gladys hatte eine Bürgervereinigung Anzeige erstattet wegen öffentlicher Prostitution auf der Main Street, hieß es. Tante Mame widersprach heftig, aber ich glaubte der Vereinigung aufs Wort. Edmund brachte im März ein Mädchen aus dem Ort in andere Umstände, und ihr Vater drohte damit, ihn zu töten. Ich war dafür, den verständlichen Emotionen des Vaters freien Lauf zu lassen, doch Tante Mame zahlte und zahlte und zahlte.
    Heute weiß ich, dass alle Kinder Arbeit machen, und ich glaube, Tante Mame und mir hätte es nicht gar so viel ausgemacht, wenn eines der Kinder auch nur eine einzige liebenswerte Eigenschaft besessen hätte. Sie hatten keine. Tante Mame sorgte sich um sie, rieb sich auf und bewahrte den schönen Schein inniger Zuneigung. Ich nicht. Ich hasste die Kinder wie die Pest, und es war mir egal, ob es jemand merkte oder nicht. Wir waren buchstäblich Gefangene in unserem eigenen Haus, und nach einem halben Jahr fingen Tante Mame und ich an, uns ohne jeden Grund anzuschnauzen und anzugiften.
    Ostersonntag lag Frühling in der Luft, und im Haus roch es widerlich nach Lilien, Geleebonbons und Gören. Die Kinder hatten ihre höllische Freude daran, sich ausgelassen mit Ostereiern zu bewerfen, und Albert hatte endlich auch das letzte Stück von Miss Peabodys Lowestoft-Geschirr zerdeppert. Doc Potter machte seine übliche Sonntagsvisite und blieb zum Abendessen. Tante Mame hatte sich zu einer tüchtigen Köchin gemausert, und es war ein köstliches Essen– besser gesagt, wäre eins gewesen, wenn Margaret Rose nicht während des Nachtisches gekotzt hätte.
    Doc Potter sah sich Margaret Rose noch einmal genauer an und brachte sie ins Bett. » Wahrscheinlich nichts Schlimmes « , sagte er, » aber lassen Sie sie ein, zwei Tage liegen. Mir gefällt ihr Rachen nicht. Eigentlich gefällt mir alles an ihr nicht, wenn ich sie mir so anschaue. Falls es ihr schlechter geht, rufen Sie mich an, und ich verabreiche ihr eine Dosis Zyanid. « Dann sah er Tante Mame mit einem höchst besorgten Gesichtsausdruck an. » Eigentlich sind Sie diejenige, die ich untersuchen sollte, Mrs. Burnside, nicht die Kinder. Sie sehen schrecklich aus– dünn, unruhig, erschöpft, untergewichtig. Passen Sie nur auf, dass die Kinder Sie nicht umbringen. «
    Nachdem Margaret Rose ins Bett verfrachtet, das Geschirr abgewaschen und die Kinder nach oben geschickt worden waren, um sich so leise wie möglich zu vergnügen, saßen Tante Mame, Doc und ich im Wohnzimmer und tranken, vollkommen glückselig, unseren Whiskeyverschnitt.
    » Wird denn dieser Hitler niemals kapitulieren, Dr. Potter? « , seufzte Tante Mame. » Wenn ich bloß einen Ausweg aus dieser, dieser… Mutterrolle wüsste, würde es mir wohl nicht so viel ausmachen, glaube ich. Es mag sich abscheulich und roh von mir anhören, aber so viel Mühe ich mir auch gegeben habe, den Kindern Liebe entgegenzubringen– ich bin gescheitert. Wenn doch bloß etwas… «
    Eine Explosion erschütterte das Haus. Ich wurde vom Stuhl geschleudert, und wir drei landeten auf einem Haufen in der Mitte des Wohnzimmers.
    » Mein Gott! « , schrie Tante Mame. » Die Kinder! « Sie sprang auf und rannte zur Treppe, Doc und ich hinterher.
    Das große Spielzimmer im ersten Stock war ein Trümmerhaufen. Alle Fenster waren zerborsten, die Decke hing zu grotesk verformten Stalaktiten herunter, und eine Wand war vollkommen weggerissen. » Oh nein! « , flüsterte Tante Mame. » Die Kinder! Schnell! Helft mir! Sie müssen unter dem Schutt begraben liegen. « Sie stürzte sich in das Chaos und fing an, sich einen Weg durch den Schutt auf dem Boden zu bahnen. Gerade hatte ich einen großen Brocken heruntergefallenen Stuck beiseitegeräumt, da hörte ich ein Kichern. Ich drehte mich rasch um und sah alle sechs Kinder, sicher und wohlauf, sich vor Lachen die Bäuche halten.
    Ich warf mich auf Edmund, aber Doc hatte ihn schon am Kragen.
    » Was ist los hier, verdammt noch mal? « , brüllte Doc. Keine Antwort. » Was habt ihr gemacht? Los, sonst breche ich dir sämtliche Knochen. « Immer noch keine Antwort.
    » Ich sag es, wenn Sie mir versprechen, es nicht an mir auszulassen. « Es war Albert, wer sonst. Ich packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn.
    » Gar nichts versprech ich dir. Du sagst es

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