Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

bin.
    » Das kann man laut sagen, Bruder, das kann man laut sagen. Aber Sie dürfen sich freuen: Hier habe ich eine brandheiße Liste mit absoluten Neulingen– Leuten, die man noch nicht angezapft hat. Und alle lechzen danach, in ihrem Haus kleine Kinderfüßchen trippeln zu hören. So was soll es geben. Setzen Sie sich, ich rufe nur schnell ein paar Leute an. Ich habe fünf zu eins auf Ihre Tante gewettet und so viel Geld gewonnen, fast habe ich das Gefühl, ich schulde Ihnen etwas. «
    Ich saß angespannt da, während sie eine Reihe Telefonate führte. Es dauerte keine halbe Stunde, da hatte sie auch das letzte Kind untergebracht. » Damit wäre das erledigt « , sagte sie. » Wie lange dauert es, bis die Kinder gepackt haben und reisefertig sind? «
    » Wenn ich mal Ihr Telefon benutzen darf « , sagte ich, » stehen sie in einer Stunde abfahrbereit in der Einfahrt. «
    » So dringend ist es auch wieder nicht. Wir haben viel Zeit. «
    » Wir nicht « , sagte ich.
    » Na gut. Soll ich Ihnen morgen ein paar Jungs von der motorisierten Truppe vorbeischicken? «
    » Das wäre wunderbar! « , sagte ich. Mir kamen die Tränen.
    Auf jedem Meter der Strecke nach Long Island übertrat ich die Geschwindigkeitsbegrenzung. Frei! Endlich frei von Edmund und Gladys, Enid und Albert, Ginger und Margaret Rose. Keine Haushaltspflichten mehr, kein Geschrei, keine Streits, kein zerdeppertes Geschirr, kein Chaos mehr.
    Feiner Kies wirbelte auf, als der Wagen in die Einfahrt kurvte. Ich sprang aus dem Wagen, als hätte mein Bein damals nur ein Papiergeschoss getroffen, und lief auf die Tür zu. Hämmern war zu hören. » Ah « , sagte ich mir, » bestimmt Arbeiter, die schon die Schäden reparieren. «
    Ein Einheimischer, noch immer den Hammer schwingend, kam die Einfahrt entlanggeschlurft.
    » Guten Abend « , rief ich ihm freundlich zu.
    » ’n Abend, Sir « , sagte er.
    » Fleißig am Ausbessern? « , fragte ich in meinem vornehmsten Plauderton.
    » Verriegelt und verrammelt « , sagte er.
    » Jetzt schon? Das ist ja großartig. «
    » Für Sie vielleicht, mein Freund, aber nicht so für die arme Frau, die die nächsten sechs Wochen mit den kleinen Teufeln in dem Haus eingeschlossen ist. «
    » Was reden Sie denn da? « , fragte ich.
    » Haben Sie denn das Schild nicht gesehen, das ich gerade an die Haustür genagelt habe? «
    » Schild? An der Haustür? «
    » Lesen Sie sich das mal durch, Sir. Ich an Ihrer Stelle würde nicht da reingehen, wenn Sie nicht sehr, sehr lange bleiben wollen. «
    Ich lief zur Eingangstür. Ein rotweißes Schild war dort angenagelt.
    QUARANTÄNE
    BETRETEN VERBOTEN
    SCHARLACH
    ALLE PERSONEN, DIE DAS GRUNDSTÜCK
    BETRETEN…
    Mehr brauchte ich nicht zu lesen. In dem Lilienbeet auf dem Rasen brach ich zusammen.

10. Kapitel
    Tante Mames
    goldener Sommer
    D ie letzten Jahre des unvergesslichen Menschen sind so herrlich wie all die Jahre ihres Lebens zuvor. Sie wohnt in ihrem adretten Häuschen, umgeben von Freunden, die sie bewundern, und gibt jedem, der bereit ist zuzuhören, Liebenswürdigkeit, Zuversicht und eine gepfefferte Portion New-England-Weisheiten auf den Weg. Der Autor nennt diese Zeit den Goldenen Sommer ihres Lebens, ein treffender Ausdruck. Mich erinnert es an Tante Mames Goldenen Sommer, denn mit genau diesen Worten hat sie ihn beschrieben. Und zwei Goldene Sommerwochen mit Tante Mame in ihrem Haus, umgeben von ihren Freunden waren eine so wertvolle Erfahrung für mich, dass mein Leben eine gänzlich andere Wendung nahm.
    Gleich nach dem Sieg der Alliierten über Japan meldete sich Tante Mame bei Elizabeth Arden an und ließ sich verwöhnen. Abgesehen von einer echten grauen Strähne zwischen den Locken sah sie um zehn Jahre verjüngt aus, als sie wieder nach Hause kam. Das Grau war echt, aber für das dunkle Haar drum herum hätte ich nicht gebürgt. Sie bekannte sich » ungeschminkt als Vierzigerin « , obwohl sie in Wirklichkeit fünfzig war, und sprach von der fruchtbaren Zeit weiblicher Reife.
    » Ich bin eine reife Frau, mein lieber Kleiner « , sagte sie, zum x-ten mal die graue Strähne bewundernd. » Das sind meine kostbarsten Jahre, und ich werde sie in vollen Zügen genießen. Ich habe vor, das Leben gelassener anzugehen, überhaupt intensiver zu leben– auf einem höheren spirituellen und intellektuellen Niveau, damit ich den niedlichen lockigen Babys, die du und deine Frau mir bringen werdet, eine angemessene Großmutter sein kann. «
    Ich stellte mein Bier ab. » Was sollen