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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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haben Sie denn? « , fragte ich sie.
    » Gottchen « , sagte sie, ließ Die verwundete Tulpe zu Boden fallen und erhob sich taumelnd aus ihrem Sessel. » Ich wusste nicht, dass Sie schon so früh ankommen würden. « Sie schniefte grauenvoll. » Bitte, entschuldigen Sie. Wo habe ich nur mein Taschentuch hingelegt? «
    Ich hielt ihr meins hin. » Hier « , sagte ich. » Putzen Sie sich die Nase. «
    » Haben Sie vielen Dank. Bitte verzeihen Sie meinen albernen Gefühlsausbruch, aber Bri…– ich meine Mr. O’Bannions Gedichte sind so wunder-wunderschön, dass ich… «
    Unten hörte ich die Haustür ins Schloss fallen und Tante Mames Stimme. » Darling? Bist du da? «
    Als ich die Treppe hinunterschritt, sah ich, dass bei Tante Mame eine Veränderung eingetreten war. Sie hatte ihren zweitteuersten Nerzmantel in einen Wendemantel umarbeiten lassen: außen irisches Homespun, Nerz auf der Innenseite. Sie trug ein Kostüm aus Homespun, derbe Straßenschuhe und einen zwei Meter langen Eton-Schal, und sie stank nach Torf.
    » Wie läufst du denn rum? « , sagte ich geradeheraus.
    » Oh, Brian und ich sind ein bisschen durchs Moor gestapft, wir haben nachgedacht. « Brian schenkte mir einen einladenden Blick und sein trauriges Lächeln. Er trug grauen Tweed, die erste Herrenweste im Tattersall-Muster, die ich je außerhalb eines Theaters gesehen hatte, und eine Trinity-College-Krawatte (Dublin). » So sieht man sich wieder, Paddy. «
    » Wird Zeit für den Tee, Darlings « , trällerte Tante Mame.
    Brian schlich sich davon, zur Toilette. Tante Mame wandte sich mir zu und gab mir einen Kuss. » Ach, mein Lieber, es ist gut, dass du Weihnachten zu Hause bist, wenn deine Tante Mame so beschäftigt ist– so schöpferisch, so produktiv, ach, so glücklich, durch und durch glücklich. «
    Ich war verlegen und fragte sie: » Wie kommst du mit dem Buch voran? «
    » Oh Darling « , sagte Tante Mame, » ich habe das Gefühl, dass ich in diesen wenigen Wochen mit Brian ungeheuer viel gelernt habe. Was war ich für ein Amateur. Ich habe geglaubt, man müsste sich auf die Musen stürzen. Aber jetzt stelle ich fest, was das Schreiben doch für eine tiefe und exquisite Erfahrung ist. «
    » Wie viel habt ihr schon geschafft? «
    » Beinahe zwanzig Seiten. «
    » Erst zwanzig Seiten? « , sagte ich.
    » Patrick, bitte « , sagte Tante Mame, » du verstehst nicht im Geringsten, wie der kreative Prozess wirklich vonstatten geht. Neunundneunzig Prozent der Arbeit ist Gedankenarbeit, und der liebe Brian hat mein Gehirn wieder zum Leben erweckt! «
    » Oh? «
    » Ja, Darling. « Sie senkte die Stimme. » Und noch etwas, Patrick. Du musst Brian kennen lernen. Du sollst ihn so gut kennen, wie ich ihn kenne– beinahe jedenfalls. Du magst ihn doch, oder? Und, Darling « , fuhr sie fort und gab mir einen Kuss auf die Stirn, » wenn er jemals das Alter erwähnt, ich meine, dich fragt, wie alt… na ja, du weißt schon; dann sag ihm, ich sei fünfunddreißig und du seist zwölf. Hach, er ist so männlich « , flüsterte Tante Mame und packte meinen Arm, als Brian den Raum betrat. Mir schwante nichts Gutes.
    Der Tee und das anschließende Abendessen waren höchst ungewöhnliche Ereignisse, milde ausgedrückt. Es war interessant und erschreckend zu beobachten, wie Tante Mame und Agnes Gooch sich wegen Brian zum Affen machten. Agnes mit ihrer blässlichen Haut, dem glatten, glanzlosen Haar, dem ausgebeulten Bouclé-Strickkleid in leicht unpassendem Blauton, der peinlichen Direktheit, mit der sie Dinge zur Sprache brachte, war bemitleidenswert in ihrer Rolle als die arme schlichte Tippse, die einen hübschen Mann anschmachtete, der zehn Jahre älter war als sie. Während Tante Mame mit ihrem perfekten Körper, dem herrlich frisierten Haar, der tadellosen Figur, den leuchtenden Augen, der makellosen Kleidung mit dem genau passenden Schmuck, dem beiläufigen, unbeschwerten Charme, grotesk war in ihrer Rolle als die reiche, anspruchsvolle, alternde Schönheit, die einen hübschen Mann anschmachtete, der zehn Jahre jünger war als sie.
    Tante Mame bekam ich während der Feiertage nicht häufig zu Gesicht, aber sie setzte alles daran, dass ich Brian umso häufiger sah. Sie stieß uns ins kalte Wasser, wenn man so will– es geschah gegen meinen Willen und, ganz sicher, auch gegen seinen. Eines Tages, während sie sich ihr Haar frisieren ließ, nötigte sie ihn geradezu, mich auf einem kleinen Spaziergang durch den Central Park mitzunehmen. Ins Gedächtnis

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